Wilfried Hiller über "Momo"
Im Gärtnerplatztheater wird am Sonntag Wilfried Hillers Familienoper „Momo“ nach dem Roman von Michael Ende uraufgeführt
Mit dem legendären „Goggolori“ fing es an. Michael Ende schrieb den Text, Wilfried Hiller komponierte die Musik für die 1985 am Gärtnerplatztheater uraufgeführte Oper. Bis zu Endes Tod im Jahr 1985 arbeite das Duo eng zusammen. Nun hat Hiller mit dem Musical-Texter Wolfgang Adenberg Endes „Momo“ in ein Musiktheater für Familien verwandelt. Die Uraufführung findet am Sonntag statt, Regie führt Nicole Claudia Weber.
AZ: Herr Hiller, auf mich wirkt die Kulturkritik an der Barbie-Puppe und der Ökonomisierung der Welt beim Wiederlesen von „Momo“ ein wenig in die Jahre gekommen. Oder täusche ich mich da?
WILFRIED HILLER: Michael Ende war seiner Zeit voraus. Die Aktivitäten der Grauen Herren von der Zeit-Spar-Kasse sind immer schlimmer geworden. Ich liebe ruhige Momente – auch auf der Bühne. In solchen Fällen verlangt heute bei einer Probe garantiert jemand, es müsse mehr passieren und geschäftiger sein.
Ende schrieb den Roman in den frühen Siebzigern.
Als ich ihn 1978 kennenlernte, hat er mir das Buch in die Hand gedrückt. Damals war gerade in Coburg die „Momo“-Oper von Mark Lothar herausgekommen.
Die ist völlig verschwunden.
Michael Ende hat Aufführungen untersagt, weil Momo da nicht zuhört, sondern dauernd Arien singt. Lothar fand, das müsse bei der Hauptrolle so sein. Ende hielt das für eine Themaverfehlung.
Lassen Sie aus diesem Grund Momo nur sprechen?
Ich hatte ursprünglich noch ein Lied für sie drin, aber Momo soll nur zuhören. Deshalb ist sie die Einzige, die nicht singt.
Es gibt noch eine weitere Vertonung des Japaners Toshi Ichiyanagi.
Der hat den Gigi weggelassen. Das geht schon deshalb nicht, weil dieser Geschichtenerzähler ein Selbstporträt Endes ist. Ich habe ihm Endes eigene Melodien in den Mund gelegt, die er zu den Gedichten aus seinem Band „Trödelmarkt der Träume“ zur Gitarre gesungen hat. Er war sehr beeindruckt von den italienischen Cantautori, konnte aber keine Noten lesen und schreiben.
Nach allem, was man über Ende hört, muss er trotz seiner Erfolge ein zutiefst unglücklicher Mensch gewesen sein.
Als die „Unendliche Geschichte“ verfilmt wurde, war er todunglücklich, weil sein Drehbuch als zu wenig kommerziell verworfen wurde. Ende hatte keinen Bezug zu Geld. Sein Steuerberater hat alles spekulativ angelegt – und irgendwann war es weg. Außerdem war Ende ein Melancholiker. Erst gegen Ende seines Lebens, kurz vor seinem Tod in einer anthroposophischen Klinik bei Stuttgart wirkte er auf mich gelöst. Das war für mich eine positive Erfahrung, die mich bei „Momo“ darin bestärkt hat, in Meister Hora eine Verkörperung des Todes zu sehen.
In der Aufführung wird der Meister Hora von einem Tänzer gespielt.
Das war eine Idee der Regisseurin Nicole Claudia Weber, mit der ich von Anfang an eng zusammengearbeitet habe. Ich habe Horas Texte dem Chor in den Mund gelegt, der sie von allen Seiten singt.
Sie haben 2013 eine Schauspielmusik für „Momo“ geschrieben. Ist Ihre neue Oper eine Weiterentwicklung dieser Komposition?
Das war eine Aufführung in Garmisch, in einem Amphitheater unter freien Himmel im Garmischer Michael-Ende-Kurpark. Die Musik musste deshalb recht laut sein. Ich hatte nicht viel Zeit dafür und außerdem hat dabei mein Sohn Carl Amadeus mit seiner Band EinsHoch6 mitgemacht. Deshalb war sie recht schlagzeugbetont.
Die Partitur Ihrer Oper enthält auch eine längere Liste an Schlaginstrumenten.
Die grauen Herren werden mit asiatischen Trommeln begleitet. Den Kontrast dazu bildet italienische Cantastorie-Musik, weil der Roman in Italien spielt, genauer gesagt im Amphitheater von Tusculum bei Rom. In der Nähe, in Genzano, ab Anfang der 1970er-Jahre lebte.
Bei Meister Hora ticken viele Uhren. Konnten Sie der Versuchung widerstehen, diesen Klang umzusetzen?
Ich dachte ursprünglich an mehrere tickende Metronome. Aber dann fand ich, dass das nicht zu einer Gegenwelt gegen die Hektik passen würde. Dann sah ich den Buchtitel in einem Spiegel, las „Omom“ und dachte sofort an den tiefen Gesang tibetischer Mönche, weshalb das Kontra-B eine große Rolle in der Musik spielt. Außerdem passt das zu meiner Vorstellung, dass es sich bei Momos Begegnung mit Meister Hora um ein Nahtoderlebnis handelt.
Wissen Sie, wie Michael Ende auf diese Figur kam?
Er war fasziniert von asiatischer Kultur und dachte bei Meister Hora an Konfuzius. Der lebte mit einer Schildkröte zusammen, die er bei philosophischen Problemen um Rat gefragt hat. Sie antwortete mit Schriftzeichen auf ihrem Rücken, aus denen die chinesische Schrift entstanden sein soll. Diese Geschichte hat Ende in seinen Roman aufgenommen.
Und was hört man bei Meister Hora?
Klangschalen. Früher gab es in Süddeutschland nur eine einzige – in der Musikinstrumentensammlung des Stadtmuseums. Mein Lehrer Carl Orff hat sie in „De temporum fine comedia“ verwendet. Auch in meiner Wohnung steht eine Klangschale, die alle Besucher magisch anzieht. Man muss aber Geduld haben und diese Schalen ganz langsam reiben, bis sie ins Schwingen kommen. In „Momo“ werden sie teilweise mit Wasser gefüllt, was wunderbare Spiegelungen erzeugt.
Laut Theater ist die Aufführung für Kinder ab 11 Jahren. Eine krumme Zahl ...
Bei den Proben waren auch schon jüngere Schüler. Alle Kinder, die sich für Musik und Theater interessieren, können sich die Aufführung ohne weiteres auch schon vor dem 11. Geburtstag ansehen.
Uraufführung am Sonntag, 18 Uhr im Gärtnerplatztheater, Restkarten. Weitere Vorstellungen am 17., 20., 21 und 28. Dezember und im Januar. Karten von 8 bis 65 Euro online oder unter Telefon 2185 1920
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