Wer wird Millionär? „Die Asche meines Vaters“ in der Schauburg
Tja, was würde man machen, wenn man plötzlich zu ganz viel Geld kommt? Würde man sich endlich mal was Teures leisten? Oder lieber investieren, in Boden, Windkraftanlagen, gar in Waffen? Oder für eine gute Sache spenden? Aber für welche? Solche Fragen kreisen durch den Kopf von Sascha, nachdem sie erfahren hat, dass ihr Vater Fred ein Unternehmer war, der ihr nach seinem Tod sein gesamtes Vermögen, knapp 50 Millionen Euro plus Immobilien, vermacht hat.
Zwei Mütter und plötzlich ist der Vater tot
„Daddy’s Eyes“ von Zoe Wees stimmt Sascha einmal an, der Song passt wie die Faust aufs Auge zu ihrer Situation. Mittels Pop dynamisiert Daniel Pfluger seine Inszenierung von Soeren Voimas „Die Asche meines Vaters“ mitunter. Das (junge) Publikum mag sich gut abgeholt fühlen, auch von den modernen Typen und Beziehungsstrukturen, die Voima um Sascha herum konstruiert hat.

Die beiden Mütter von Sascha, Pia und Inga, gespielt von Simone Oswald und Sibel Polat, fallen da auch mal in Saschas Bett übereinander her, nachdem sie mit ihrer Tochter ein klärendes Gespräch geführt haben. Bühnen- und Kostümbildnerin Katarina Ravlic hat ein mehreckiges, zu einer Seite offenes Gebilde auf die Bühne der Schauburg bauen lassen, dessen Inneres per Drehbühne aus der Sicht geraten kann, um dann mit neuem Inhalt wieder in den Blick zu rotieren.
Im Drehkasten, dessen Wände auch als Projektionsfläche für teils illustrierende, teils assoziative Videos dienen, erscheint auf einmal die gesamte, für Sascha neue Verwandtschaft in schwarzem Trauerflor, aufgestellt wie zu einem Familienfoto. Düster wirken sie, bedrohlich, geben sich aber nach einem Lichtwechsel im Kontakt mit der Alleinerbin sehr freundlich. Kein Wunder, erhoffen sie sich doch von Sascha etwas Milde im Umgang mit all jenen, die ihr Vater übergangen hat.
Alles für sich oder das Geld für alle?
Cousine Lilly etwa, gespielt von Sibel Polat, die ähnlich wie Simone Oswald in zwei Rollen ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellt, ließ sich von dem verstorbenen Fred beim Vermarkten einer „ökologischen Lippenpflege“ finanziell unterstützen. Noch bedürftiger ist der Bruder des Toten, hat er doch fünf Millionen in den Sand gesetzt. Hardy Punzel ist als dauerwitzelnder, insgeheim verzweifelter Onkel Pitt herrlich komisch. Während der Trauerfeier schlingert Pitts Totenrede ins Notpeinliche, was ebenfalls sehr lustig ist, aber vom eigentlichen Thema ablenkt.

Insgesamt nimmt sich das Stück sehr viel Zeit, um den von Sascha bereits zu Anfang prägnant zusammengefassten Hauptkonflikt im Rückblick, mit ihr als Erzählerin, weiter auszustaffieren. Interessant wäre doch auch, welche Konsequenzen und Komplikationen entstünden, wenn Sascha sich für eine Verwertungsmöglichkeit des Erbes entscheiden würde. Stattdessen reiht Voima didaktisch-diskursiv die verschiedenen Haltungen der Familie auf, wobei der Einzige, der nicht nur an seinen Vorteil denkt, Cousin Max ist.
Trügerischer Ruhepol inmitten der Schickeria
Tom Gerhartz spielt ihn als trügerischen Ruhepol inmitten der Schickeria. Ein Klimaaktivist ist er, was dafür sorgte, so erklärt ihm die Freundin des Verstorbenen (Maya Haddad), dass Max beim Erben leer ausging. Auch Sascha greift den „Moralapostel“ an: Das Umwelt-Engagement können sich eben auch nur die „Rich Kids“ leisten.
Das Ensemble konturiert die Figuren unter Pflugers Regie klar und leicht überspitzt, darunter der Notar, den Anh Kiet Le kerzengerade, herrlich nüchtern verkörpert. Saschas non-binären Freund Franz spielt Janosch Fries mit einer gut gelaunten Flamboyanz, die an die Figur Eric aus der Serie „Sex Education“ erinnert. Er und Annelie Straub reißen als Identifikationsfiguren mit. Vor allem Straub begeistert mit ihrem frischen Spiel, ihre Sascha ist selbstbewusst, aber auch überfordert mit der Entscheidung, die sie da treffen soll. Nun: Was ist mit dem Erbe zu tun? Die Antwort wird dem Publikum überlassen, was diskussionsanregend gedacht, aber auch ein bisschen faul ist.
Schauburg, nächste Aufführungen: 16.10., 18 Uhr; 20.10., 10 Uhr; Karten 233 737155
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