Was Thomas E. Bauer für die Zukunft plant
Bariton Thomas E. Bauer über seine Pläne als neuer Intendant der Europäischen Wochen in Passau
Nun ist es offiziell: Der neue Leiter der Festspiele Europäische Wochen in Passau heißt Thomas E. Bauer. Schon am Morgen nach seiner Amtseinführung sitzt der erfolgreiche Bariton und Kulturmanager im Flugzeug nach Paris. Die moderne Technologie macht’s möglich: ein Interview hoch über den Wolken.
AZ: Guten Morgen, Herr Bauer, wie war der Abend?
THOMAS E. BAUER: Feierlich, ein halber Staatsakt – und dann eine sehr kurze Nacht.
Was bedeutet dieses Amt für Sie?
Die Stadt Passau zählt zu den denkbar schönsten Festspielorten. Bei den Europäischen Wochen gastieren seit Jahrzehnten die wichtigsten Künstler. Nur hier wurde in der Depression der Nachkriegszeit der Versuch unternommen, eine Gesellschaft durch prominente Kultur wieder aufzurichten. Das ist ein einzigartiger Vorgang, der gut zum Selbstverständnis dieser Stadt passt.
Welchen Bezug haben Sie zu den Europäischen Wochen?
Als Deggendorfer Kulturaktivist verfolge ich die Geschehnisse in Passau seit längerer Zeit. Vor einigen Jahren war ich bereits als Intendant im Gespräch. Seitdem ist der Faden nicht abgerissen.
Wie geht es mit der Traditionsveranstaltung unter Ihrer Regie weiter?
Für mich liegt der Fokus auf der Stadt und dem Landkreis Passau, weil wir hier auch die größte Unterstützung vorfinden. Ich stelle mir eine kompaktere Festivalphase mit Schwerpunkt auf den Wochenenden vor. Parallel stattfindende Veranstaltungen an verschiedenen Spielorten wird es nicht geben. Natürlich bleibt die Dreiländeridee erhalten, nur muss sich auch für unser Publikum eine sinnvolle Logistik ergeben. Möglicherweise haben wir im nächsten Jahr weniger Veranstaltungen bei mindestens gleich bleibendem Kartenumsatz. Mein Ziel ist also eine höhere Auslastung.
Ihr Credo lautet?
Das Zentrum bildet die „klassische“ Musik mit ihren Disziplinen Sinfonik, Oper, Oratorium und Kammermusik, vorgetragen von den führenden Ensembles und Solisten unserer Zeit. Es wird Ausflüge in andere Gegenwartskünste geben. Die zeitgenössische Musik gehört zum Markenkern. Ich halte diesen Kanon für wichtig, weil er das Fundament unserer gewachsenen Kultur ist. In den Sparten Kabarett, Kleinkunst, Jazz und Volksmusik et cetera gibt es in Ostbayern bereits zahlreiche attraktive Angebote.
Hier wollen Sie nicht konkurrieren.
Mein Anliegen ist die Herabsetzung von Schwellenängsten. Dabei vertraue ich auf das Überwältigungspotenzial der größten Werke und Musiker, die wir nach Passau locken können. Ich setze auf Internationalität vor Regionalität, um die gewünschte Strahlkraft zu entfalten und auch Publikum von weiter her anzuziehen. Selbstverständlich muss es auch ein eigenes Forum für Musiker in, um und aus Passau geben.
Wie können die Europäischen Festspiele von Ihrer Erfahrung profitieren? Sie haben ja einen Konzertsaal im niederbayerischen Dorf Blaibach gegründet.
Mein Anliegen, mit prominenter Kunst infrastrukturelle Veränderungen zu erzielen, ist auch in Passau bedeutsam. Da wird die Blaibacher Expertise ganz sicher helfen. In letzter Zeit habe ich eine fast neurotische Idee zur idealen Organisation von Kulturbetrieben. Ich möchte dieses System auch in Blaibach verbessern, dazu gehört zum Beispiel die frühzeitige Propagierung der Inhalte des Festivals, damit ausreichend Zeit bleibt, um Netzwerke in jegliche Richtungen aufzubauen und Menschen aus allen Bereichen an die Ereignisse zu binden.
Welche Synergieeffekte gibt es für Ihr bisheriges Wirken? Nehmen wir das Konzerthaus Blaibach ...
Wir gewinnen mit dem Publikum der Europäischen Wochen eine interessante Klientel und umgekehrt. Außerdem gibt es spannende Aufladungen: Das Konzerthaus profitiert von der großen Tradition der Europäischen Wochen, andererseits werden die Passauer Festspiele mit den Themen Innovation und Avantgarde, wie sie in Blaibach beheimatet sind, aufgewertet. Eine klassische Win-Win-Situation. Wir stehen jetzt mit starken Beinen in der Oberpfalz und in Niederbayern und können unser Engagement nachdrücklicher und überregional vertreten.
Gestern waren Sie in Passau, heute in Paris: Als Sänger sind Sie ständig auf Achse, dazu kommen die Arbeiten für das Kulturwald-Festival und nun auch die Leitung der Europäischen Wochen: Wie bringen Sie all das unter einen Hut?
Nach hunderten Konzerten in den letzten Jahren ist in mir der Wunsch nach Verortung immer stärker gewachsen. Die Engagements in Passau und Blaibach geben mir jetzt so eine Heimat, deswegen werde ich mehr Zeit in der Region verbringen können. Für mich ist es wichtig zu hören, was die Leute in den Gassen reden, was beim Metzger, Bäcker und im Wirtshaus los ist. Die prominenteren Auftritte als Sänger werden bleiben, sie sind ja auch Bestandteil meines Netzwerks zu Künstlern und anderen Festivals, ich werde meine Gastspiele aber sicher verringern, damit wieder mehr Zeit für ein geregelteres Leben bleibt.
Mit dem Konzerthaus in Blaibach haben Sie alle verblüfft: Mittlerweile beraten Sie auch größere Städte, wie es gelingen kann, ein solches Projekt umzusetzen. Haben Sie selbst Pläne für ein zweites Konzerthaus?
Passau und die Festspiele brauchen ein Europäisches Konzerthaus. Wie andernorts sind hier in der Vergangenheit die Themen Kultur und Soziales unnötig gegeneinander ausgespielt worden. Angesichts von milliardenschweren Investitionen in Kulturbauten der Landeshauptstadt ist die politische Gesamtwetterlage zum Thema derzeit eigentlich günstig. Ich kann aber auch die Skeptiker verstehen, die auf fehlende Betriebsmodelle hinweisen. Zunächst strebe ich eine erfolgreiche Festivalpremiere im nächsten Jahr an, mit meiner Blaibacher Vorgeschichte brennt mir aber selbstredend auch das Konzerthausthema unter den Nägeln.
Die nächsten Festspiele Europäische Wochen Passau finden voraussichtlich 16. Juni bis 6. August 2017 statt
- Themen: