"Wir haben ein treues Publikum": Was Serge Dorny an der Bayerischen Staatsoper plant
Seine fünfte Spielzeit an der Bayerischen Staatsoper überschreibt Serge Dorny mit dem Motto "Der Mensch ist, wozu er sich macht". Auf dem Programm stehen Neuinszenierungen von Opern zwischen Händel und Hans Werner Henze, außerdem gibt es eine Uraufführung. Bei den Opernfestspielen im Sommer 2026 wird der neue "Ring des Nibelungen" in der Regie von Tobias Kratzer und der Musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski fortgesetzt.
AZ: Herr Dorny, wieso beginnt die kommende Spielzeit erst Ende Oktober?
SERGE DORNY: Auch vor der bevorstehenden Generalsanierung muss das Nationaltheater instandgesetzt werden. Das betrifft etwa die Sprinkleranlage, die Aufzüge, den Brandschutz und die Tonanlage. Das alles wird zwischen August und Oktober durchgeführt. In dieser Zeit werden über 12 Millionen Euro investiert.
Gibt es Neues zur Ersatzspielstätte für die Zeit der Generalsanierung?
Dazu laufen Planungen und eine Ausschreibung durch das Kunstministerium. Wir brauchen für die Zeit nach 2034 eine Spielstätte mit einem Orchestergraben, der sich für unser vielseitiges Repertoire zwischen Mozart und Strauss eignet. Außerdem sollte der Ort auch für die gleiche Zahl an Zuschauern geeignet sein, weil sonst unsere Einnahmen sinken. Dieser wirtschaftliche Aspekt ist nicht zu unterschätzen.

Das letzte kostenlose "Oper für alle"-Konzert zur Spielzeiteröffnung fand in Oberammergau statt. Was ist diesmal der Ort?
Der BMW-Park am Rand des Westparks, der früheren Rudi-Sedlmayer-Halle. Bei dem Konzert am 24. Oktober singen Ailyn Pérez und Jonathan Tetelman. Andrea Battistoni dirigiert ein italienisches Programm.
Die erste Premiere ist Hans Werner Henzes "Die englische Katze" am 5. November.
Das ist eine Produktion des Opernstudios im Cuvillièstheater, die wir wegen der Sanierungsarbeiten vorgezogen haben. Henze hatte eine starke Beziehung zu München, er hätte 2026 seinen 100. Geburtstag gefeiert. Es ist die dritte Arbeit der Regisseurin Christiane Lutz, die österreichische Dirigentin Katharina Wincor hat die musikalische Leitung.
Was interessiert Sie an der "Nacht vor Weihnachten" von Nikolai Rimsky-Korsakow, der zweiten Premiere am 23. November?
Rimsky-Korsakow hat 16 Opern geschrieben, keine einzige war jemals im Nationaltheater zu hören. Der Komponist hatte nicht nur einen großen Einfluss auf Strawinsky und Prokofiew, sondern beispielsweise auch auf Debussy. Das ist eine Farbe, die im Spielplan nicht fehlen darf - neben den üblichen Werken des Repertoires. Außerdem interessieren sich Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski und der Regisseur Barrie Kosky sehr für dieses fantasievolle Werk.

Als dritte Premiere folgt am 1. Februar "Faust" von Charles Gounod. Ist der Ruhm dieses Werks nicht etwas verblasst?
Finde ich nicht. Es handelt sich um interessante Musik mit Rückverweisen auf die Grand Opéra, ein Genre, das in den letzten Jahren wieder mehr Aufmerksamkeit gewonnen hat. "Faust" ist auch ein Sänger:innen-Stück, und wenn man Stars wie Jonathan Tetelman, Olga Kulchynska und Kyle Ketelsen dafür gewinnen kann, ist das ein Gewinn für den Spielplan. Regie führt Lotte de Beer, Natalie Stutzmann dirigiert, die zuletzt bei den Münchner Philharmonikern und in Bayreuth sehr erfolgreich war

Im gleichen Monat kommt außerdem ein neuer "Rigoletto" heraus. Ist es nicht im Moment ziemlich schwer, Verdi angemessen zu besetzen?
Es ist ein Werk des Standardrepertoires, das hier länger nicht zu sehen war. Im Moment gibt es eine neue Generation guter Verdi-Baritone. Igor Golovatenko war bereits in "I masnadieri" zu hören, der Tenor Bekhzod Davronov in "Krieg und Frieden". Serena Sáenz, eine vielversprechende, junge Sängerin, die an der Bayerischen Staatsoper bereits die Titelpartie in "Lucia di Lammermoor" interpretiert hat, singt die Gilda.
Am 3. Mai gibt es die Uraufführung von Brett Deans Oper "Of One Blood". Worum geht es da?
Um Maria Stuart und Elisabeth I. Es ist eine dokumentarische Oper, die den Briefwechsel der beiden Königinnen zugrunde legt. Wussten Sie, dass beide nebeneinander in der Westminster Abbey begraben sind? Die Inszenierung von Claus Guth wird das zum Ausgangspunkt machen und auch die Frage beantworten, wie aktuell beide Figuren heute sind.

Ist zu Tobias Kratzers "Ring" schon alles gesagt, den Sie mit der "Walküre" fortsetzen?
Derzeit sind sehr viele Inszenierungen von Wagners Tetralogie in Arbeit oder in Planung: in Bayreuth, Wien, Covent Garden, bei den Salzburger Osterfestspielen, an der Mailänder Scala. Fast überall liest man die gleichen Namen. Wir hingegen möchten eine neue Generation von Interpreten präsentieren. Irene Roberts debütiert als Sieglinde. Joachim Bäckström ist unser Siegmund. Nicholas Brownlee wird wieder den Wotan singen und auch für die Titelpartie in "Siegfried" in der übernächsten Spielzeit haben wir eine interessante Besetzung gefunden.

Es gibt 40 Opern von Händel, auch eine Oper von Vivaldi wäre einmal interessant. Wieso bringen Sie "Alcina" heraus, die eben erst im Gärtnerplatztheater neu inszeniert wurde? Lassen sich solche Dopplungen nicht vermeiden?
Wir sprechen uns durchaus untereinander ab, und wir haben diese Oper geplant, bevor das Gärtnerplatztheater sie angesetzt hat. "Alcina" ist eine sehr bedeutende Oper von Händel, die auch zwei Interpretationen in der gleichen Stadt verträgt. Ich möchte die Aufführung außerdem nach den Festspielen auch ins Repertoire übernehmen.
Wie ist die gegenwärtige Auslastung der Staatsoper?
Die Auslastung ist mit 96 Prozent sehr gut. Entscheidend ist: Wir hatten in den Wintermonaten die höchsten Einnahmen in der Geschichte der Bayerischen Staatsoper. Es war nicht einfach, nach Corona das Publikum zurückzugewinnen, aber es ist gelungen, weil wir ein sehr treues Publikum haben. Die Auslastung ist allerdings nicht alles. Wir haben einen Kulturauftrag! Dazu gehört, auch unbekannte Werke wie "Die Passagierin" zu spielen, die eine erinnerungspolitische Bedeutung haben, aber keine Auslastung von 100 Prozent erreichen werden.
Die kommende Spielzeit der Bayerischen Staatsoper
Unicredit Eröffnungsfest, 8. November, Nationaltheater, Cuvilliestheater u.a.
Oper für alle, BMW Park (Rudi-Sedlmayer-Halle), 24. Oktober, mit Ailyn Pérez und Jonathan Tetelman, Eintritt frei
Hans Werner Henze: „Die englische Katze“, Katharina Wincor (Dirigentin), Christiane Lutz (Inzszenierung), Cuvilliéstheater, 5. November

Nicolai Rimsky-Korsakow: „Die Nacht vor Weihnachten“, Vladimir Jurowski (D), Barrie Kosky (I), Nationaltheater, 24. November
Maurice Bejart, Wlliam Forsythe, Emma Portner (Choreografien): „Waves and Circles“, Nationaltheater, 21. Dezember
Charles Gounod: „Faust“, Nathalie Stutzmann (D), Lotte de Beer (R), Nationaltheater, 1. Februar
Giuseppe Verdi: „Rigoletto“, Maurizio Benini (D), Barbara Wysocka (R), Nationaltheater, 22. Februar

Hans van Manen, Alexander Ekman, Johan Inger (Ch): „Common Ground“, Nationaltheater, 28. März
Brett Dean: „Of One Blood“ (Uraufführung), Vladimir Jurowski (D), Claus Guth (R), Nationaltheater, 3. Mai
"Konstellationen", 18. Juni, Prinzregententheater (Mixed Bill des Staatsballetts)
Richard Wagner: „Die Walküre“, Vladimir Jurowski (D), Tobias Kratzer (I), Nationaltheater, 21. Juni, als Oper für alle am 4. Juli
Händel: „Alcina“. Stefano Montanari (D), Johanna Wehner (R), Prinzregententheater, 5. Juli