Vier in Vergessenheit geratene Tenöre

Ein kleiner Tipp für alle, die planen, eine Oper zu schreiben: vier Tenöre in einem Stück sind ein viel. Abgesehen davon, dass ein solches Angebot an hochgetriebener Männlichkeit - in puncto Stimmlage - das Ohr überstrapazieren könnte, ist es schwierig, eine ausgewogene Besetzung zusammenzukriegen. So gesehen ist diese konzertante Aufführung der Oper „Zampa“ des französischen Romantikers Ferdinand Hérold (1791-1833) ein doppelter Glücksfall: Der Komponist, der als einer der wirklich zu Unrecht vergessenen Meister gelten kann, schlägt dramatische Funken genau aus dieser ungewöhnlichen Ballung hoher Stimmen.
Und: Die vier Tenöre sind vom Typus her so unterschiedlich, dass man sie auf der Bühne des Prinzregententheaters auch ohne Kostüme problemlos auseinanderhalten kann. Da ist zunächst einmal der Liebenswürdige, Cyrille Dubois als Offizier Alphonse, der Verlobte der weiblichen Hauptperson Camille, dessen Gutherzigkeit sich in seinem zarten, agil in die „voix mixte“ gleitenden Organ ausdrückt. Von ihm hebt sich der Drollige, der Belgier Pierre Derhet als Glöckner Dandolo, mit seinen zum Chargieren neigenden Faxen deutlich ab. Diesem bürgerlichen Paar steht auf der anderen, freibeuterischen Seite der Loyale gegenüber, François Rougier als Daniel, der Bootsmann Zampas, eine ambivalente Figur mit angenehm männlichem Timbre.

In der Titelrolle schließlich zieht Julien Henric als gefürchteter Korsar, der sich Camille unter den Nagel reißen will, alle Register. Einst hat Zampa bereits Alice vor der Trauung die Unschuld geraubt. Wenn Henric als Nachfahre Don Giovannis die Marmorstatue der aus Kummer Verstorbenen verhöhnt, bebt in seiner flackernden Linie auch Erschrecken über die eigene Ruchlosigkeit mit, aber sein Gesang stabilisiert sich zunehmend, sodass er dem Bösewicht auch mit kantableren und gefühlvolleren Zwischentönen Tiefe verleihen kann. Hilft nichts, er wird von der „marmornen Braut“, von der im Untertitel die Rede ist, in die Hölle gerissen.
Suggestive Atmosphäre
Für diese zweite große Hauptrolle ist der Sopran der Hélène Carpentier als Camille fast ein wenig zu unscheinbar in der Tiefe, unruhig an der Oberfläche, sodass die Spitzen zu gewisser Schrille tendieren - aber auch die existentielle Verzweiflung erfahrbar machen. In einem anderen Sinne tragisch ist die Rolle der Dienerin: Héloise Mas hat viel zu wenig zu singen, um ihren betörenden Mezzosopran zur Geltung zu bringen. Ihr Temperament und ihre Virtuosität in den Koloraturen empfehlen sie dringendst für eine der großen Partien.

Am Pult ist Erik Nielsen. Der Deutsch-Amerikaner ist nicht nur ein glänzender Techniker, der das Münchner Rundfunkorchester straff führt und es unablässig zu glanzvoller Klanglichkeit animiert: mit kraftvoll federndem Streicherkörper, schmelzenden Holzbläsersoli, gebieterischem Blech und exzellent dosiertem Schlagwerk. Noch dazu kreiert er für dieses französische Fantasie-Sizilien eine suggestiv helle, trockene Atmosphäre, in welche der Chor des Bayerischen Rundfunks (Einstudierung: Stellario Fagone) zur Krönung noch ein sanft mediterranes Kolorit einbringt. Tenor-Überschuss hin oder her: Dieser „Marmorbraut“ würde man gerne wieder begegnen.