Vergessen Sie Whitney Houston: „The Bodyguard“ im Deutschen Theater
Manchmal kommt das Beste wirklich zum Schluss. Oder sogar: nach dem Schluss. Wenn beim Musical „The Bodyguard“ im Deutschen Theater der Applaus losgeht, legen alle nochmal richtig los und zu Whitney Houstons Hit „I Wanna Dance With Somebody“ eine Performance hin, die es in sich hat und einen sich ratlos fragen lässt, warum die vorangegangenen Ensemblenummern irgendwie so wenig Emotionen ausgelöst haben.
Auf einmal zeigen die Tänzerinnen und Tänzer, was sie alles drauf haben. Auf einmal stimmt der Ton und dröhnt nicht alles erschlagend aus den Boxen. Auf einmal blenden die Scheinwerfer nicht das Publikum, sondern beleuchten, was beleuchtet werden soll: das Geschehen auf der Bühne. Kurz: Auf einmal ist da auf der Bühne die Party und Ekstase, die in den vorangegangenen gut zwei Stunden irgendwie fehlten.
Nun ist es immer so ein Ding, wenn eine Theaterproduktion an einen erfolgreichen Film anknüpfen will. Was heißt „erfolgreich“? Mick Jacksons „The Bodyguard“ mit Kevin Costner und Whitney Houston in den Hauptrollen war 1992 der Film, den wohl alle gesehen haben. Wie er als Bodyguard die berühmte und exzentrische Sängerin Rachel Marron vor allen Gefahren rettet und sich - natürlich! - nebenbei eine unglückliche Lovestory zwischen beiden entspinnt, war auf jeden Fall ganz großes Teenie-Kino.
Soundtrack ungezählter Hochzeiten
Das zugehörige Album mit den Songs von Whitney Houston verkaufte sich weltweit wohl unglaubliche 44 Millionen Mal. Das Bild, wie Costner Houston auf seinen Armen aus der Menge trägt, hat sich ebenso ins kollektive Gedächtnis eingeprägt wie der finale Song „I Will Always Love You“, der eigentlich der eines Abschieds ist, nichtsdestotrotz zum Soundtrack ungezählter Hochzeiten geworden ist.
Ist es doch auch an Romantik kaum zu überbieten, wie Whitney Houston am Ende den Privatjet noch einmal stoppt für einen letzten Kuss. Hach… Und das nun also als Musical? Die Fassung von Alexander Dinelaris, die auf dem Drehbuch von Lawrence Kasdan basiert, hatte 2012 in London Premiere und tourt seither durch die Welt. Und: Anders als bei ähnlichen Projekten, bei denen aus einem bekannten Film ein ebensolches Musical werden soll (man denke zum Beispiel an „Ghost - Nachricht von Sam“, wo dieses Unterfangen komplett scheiterte), gibt es hier jede Menge Gassenhauer, die generationenübergreifend zünden. Bei „Run to You“ zum Beispiel singt ein Mittsechziger aus einem Impuls kurz mit und auch die Zwanzigjährigen bekommen diesen sehnsüchtigen Blick.

Und das liegt daran, dass sowohl Sidonie Smith als Superstar Rachel Marron als auch Sasha Monique als ihre Schwester Nicki vor allem in den Solo-Nummern, die Charlie Ingles auf dem Piano begleitet, stimmlich komplett überzeugen und keinerlei Angst vor dem Vergleich mit dem Original haben müssen. Wenn diese zwei, die beide Gefühle für Frank entwickelt haben und ohnehin in einer schwierigen Konkurrenz-Beziehung zueinander stehen, parallel „I Have Nothing“ singen, ist das ein purer und intensiver Moment.
Übersteuerte Musiknummern
Es ist klug und wohltuend, dass dieses Musical die Gesangsnummern den beiden Schwestern überlässt und nicht alle unmotiviert vor sich hinsingen. Mehr als im Film steht hier ohnehin die Beziehung zwischen diesen zwei Frauen und dem einen Mann im Zentrum. Der zurückgenommene Adam Garcia als Bodyguard Frank darf bei seinem Date mit Rachel in einer Karaoke-Bar „I Will Always Love You“ performen - und es ist absolut anzuerkennen, wie es ihm gelingt, diesen Hit so falsch zu singen, dass er allein am Text zu erkennen ist. Auch der zehnjährige Cale Cole legt als Rachels Sohn einige überzeugende Tanz- und Gesangseinlagen hin.

Leider aber kommen die Dialog- und Spielszenen eher hölzern daher. Die Konzertnummern sind akustisch so übersteuert, dass Hits wie „Queen of the Night“ in dröhnender Lautstärke untergehen. James-Lee Harris steht als Rachels Stalker meist reglos in vermeintlich bedrohlichen Posen am Rand und versprüht so viel Gefährlichkeit wie ein Pappaufsteller.
Die beiden Rettungsaktionen geraten eher unfreiwillig komisch. Regisseurin Thea Sharrock hat einen Hang zu Slow-Motion in den Action-Szenen. Nachdem Frank sich also bei der Oscar-Verleihung ganz langsam in die Schusslinie geworfen und Rachel vor der Kugel geschützt hat, fällt der Vorhang und es wird allen Ernstes „Safety Curtain“ darauf projiziert, also „Sicherheitsvorhang“.

Wer soll hier vor was geschützt werden? Das Publikum vor diesen krassen Szenen? Das ist so absurd, dass es schon wieder lustig ist. Ob es so gedacht ist? Eher nicht. Zum Glück kommt ja noch das Finale.
Bis 4. Januar im Deutschen Theater, Karten ab 33 Euro auf der Homepage des Theaters und unter Telefon 55 234 444
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