Verdis "Falstaff" konzertant mit Bryn Terfel
Wie alt sie sich Sir John Falstaff genau vorgestellten, haben uns Giuseppe Verdi und sein Librettist Arrigo Boito nicht verraten; wahrscheinlich aber nicht Anfang, Mitte dreißig. So alt war Bryn Terfel, als er den frechen dicken Ritter vor etwa zwanzig Jahren an der Bayerischen Staatsoper sang, damals noch ohne eigenen Adelstitel.
Sowohl stimmlich als auch spielerisch legte der Waliser die Figur damals unwiderstehlich überbordend an. Mittlerweile, in den Fünfzigern angelangt und mit einem eigenen stolzen Bauch ausgestattet, verschwendet sich Terfel nicht mehr. Der schwere, scharf gerandete Bass wird ökonomischer eingesetzt, er hat auch naturgemäß an Materialfülle verloren. Übermut zeigt er nur noch dann, wenn er bei seinem Abgang nach dem ersten Teil des ersten Aktes den Dirigenten Daniel Harding in den Allerwertesten kneift.
Kapellmeisterlich nüchtern
Es hätte dieser konzertanten Aufführung in der Philharmonie gut getan, hätte sich Harding auf diese Weise ein wenig anstacheln lassen. Er leitet das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks kapellmeisterlich nüchtern, ohne in den zugegeben heiklen Passagen die einander gegenübersitzenden ersten und zweiten Violinen in jeder Situation wirklich sauber zusammenzubringen.
Lustvolle Komödienstimmung ruft Harding nicht hervor, vor allem aber zeigt er kein Interesse an den unendlichen Köstlichkeiten der Partitur. Seine Klangphantasie beschränkt sich auf den stellenweisen Verzicht auf Vibrato bei den Streichern, was manchmal eine interessante Wirkung hervorbringt; über die mysteriösen Harmonien, als im letzten Bild die Uhr Mitternacht schlägt, geht er beispielsweise hinweg, auch über die Triller der Bläser, welche die Wirkung des Weines erfahrbar machen.
Lebendiges Ensemble
Mehr Leben steckt in den Ensembleszenen, die von Barbara Frittoli als Alice angeführt, Laura Polverelli als Meg stabilisiert und von einer prachtvollen Mrs. Quickly von Judith Kutasi grundiert werden; Laura Giordano ist eine eher soubrettenhafte als lyrische Nannetta. Ihr ist Martin Mitterrutzner als Fenton in den Liebesszenen mit seinem schwärmerischen Tenor mindestens ebenbürtig.
Gerade in den Eifersuchtsszenen bleibt Christopher Maltman als Ford zu vornehm, zu wenig gefährlich für diese unterschwellig gewaltbereite Rolle. Theatralik, auch eine Prise Spielhumor, bleibt den komischen Figuren Mikeldi Atxalandabaso (Dr. Cajus), Alasdair Elliott (Bardolfo) und Mario Luperi (Pistola) vorbehalten. Ganz gleich, wie viele Jahre der Ritter selbst auf dem Buckel hat: Mit der Jugendlichkeit des Stückes selbst kann diese Aufführung nicht mithalten.
Die Aufführung ist nachzuhören in der Mediathek des BR auf www.br-so.de