"Three Little Lives": Brexit im schottischen Park

Die Kammeroper "Three Little Lives" von Ann Cleare und A.L. Kennedy bei der Musiktheater-Biennale.
Robert Braunmüller
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Christopher Robson als ordnungsliebender Parkwächter in der Kammeroper "Three Little Lives" im Utopia.
Christopher Robson als ordnungsliebender Parkwächter in der Kammeroper "Three Little Lives" im Utopia. © Armin Smailovic

Nicht ganz grundlos vertonen Zeitgenossen lieber mythische oder im weitesten Sinn abstrakte Stoffe. Wer gegenwärtige Menschen in einer halbwegs normalen Umgebung singen lässt, verstrickt sich in ein nahezu unlösbares Realismus-Problem, wenn er sich nicht einer musicalhaften Emphase hingeben will.

Aus diesem Dilemma findet auch "Three Little Lives" von Ann Cleare (Musik) und A.L. Kennedy (Text) bei der Münchener Biennale für Neues Musiktheater keinen Ausweg. Es geht um einige Leute, die in einem Park der schottischen Metropole Edinburgh eingeschlossen werden. Die Paare kriegen die Krise, ein Parkwächter schikaniert sie mit abstrusen Anweisungen, ehe sich die etwas kafkaeske Angelegenheit in Luft auflöst.

Eingeschlossene und ihre Schrullen sind ein beliebtes Thema des modernen Theaters von Maeterlinck bis Marthaler. Die Klassiker dieser Form wählten zur Darstellung von Ausweglosigkeit nicht ganz grundlos die Form des Einakters. "Three Little Lives" weiß es leider besser und unterbricht die Geschichte mit einer Pause, obwohl eine Verdichtung dem etwa zweistündigen Abend wohlgetan hätte.

Warum sollten sich die Figuren singend mitteilen?

Nur: Warum sollten sich die Figuren singend mitteilen? Die Komponistin scheint keinen rechten Grund dafür gefunden zu haben, und so legt das Ensemble Musikfabrik einen statischen Klangteppich unter den kompositorisch eher unambitionierten Sprechgesang.

Christiane Pohles Inszenierung versucht in den geschickt bespielten Weiten des Utopia (vormals Reithalle) die existenzielle Bedrängnis der Figuren politisch zu verorten. Das funktioniert dank der Münchner Opern-Legende Christopher Robson auf einer eher komödiantischen Ebene. Der in der Ära von Peter Jonas in den Opern von Georg Friedrich Händel vielbeschäftigte Countertenor verkörpert einen distinguiert konservativen Vertreter einer absurden Ordnung, mal im weißen Kittel, später auch im britischen Anzug.

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Robsons kühle Geschäftigkeit reißt die Aufführung aus ihrer Lethargie. Aber er singt nur wenige Takte: Der Parkwächter ist eine Sprechrolle. Trotzdem war das eine höchst erfreuliche Wiederbegegnung. Und wir, die die des Öfteren von der Biennale weniger Klangkunst und konkretere Stoffe eingefordert haben, tun Buße und ziehen uns zur inneren Einkehr in ein stilles Kämmerlein zurück: Musiktheater, Realismus und Gegenwart passen offenbar tatsächlich nicht zusammen.

Weil die Uraufführung krankheitsbedingt verschoben werden musste, fand gestern bereits die letzte Vorstellung statt.
Infos zum weiteren Programmdes Festivals unter muenchener-biennale.de

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