Kritik

Sparen bei den Zugaben: "Oper für alle" mit Ailyn Pérez und Jonathan Tetelman im BMW-Park

Die Bayerische Staatsoper eröffnet ihre Spielzeit mit einem Gratis-Konzert für über 6000 Besucher in der Rudi-Sedlmayer-Halle am Rand des Westparks
Robert Braunmüller
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Ältere Besucher von Pop- und Rockkonzerten haben die Rudi-Sedlmayer-Halle als akustisch eher schlecht in Erinnerung. Nach langer Sanierung erlebte sie 2011 als Basketballstadion seine Wiederauferstehung. Das hat sich irgendwie auf den Sound ausgewirkt: Jetzt kann der 1972 für die Olympischen Spiel am Rand des Westparks errichtete Rundbau ohne Weiteres als kleine Schwester der Arena di Verona durchgehen.

Dass der BMW-Park (vormals Audi-Dome) auch noch den Namen eines zentralen Sponsors der Bayerischen Staatsoper trägt, macht die Halle zum idealen Schauplatz für ein Konzert der Gratis-Reihe „Oper für alle“, das  heuer wegen der Asien-Tournee außerhalb der Freiluftsaison stattfand. 

Das Programm bot - wie üblich - eine durch Ausblicke auf die kommende Spielzeit veredelte Version der Arien-Gala mit der unvermeidlichen Ouvertüre zur „Macht des Schicksals“ und dem ebenso erwartbaren Duett-Schluss des ersten Akts von „La Bohème“, bei dem Ailyn Pérez und Jonathan Tetelman zuletzt den ohne jede Übertreibung mit viel Geschmack verstärkten Bereich verließen und demonstrierten, dass die Akustik vielleicht sogar ohne technische Hilfe ausreichen würde.

Der perfekte Latin Lover

Dem Genius loci huldigte ein Basketball-Maskottchen, das den Auftritt des Bayerischen Staatsorchesters anheizte. Dann sorgte der Dirigent Andrea Battistoni für Energie, beginnend mit der Ouvertüre zur „Verkauften Braut“ von Bedrich Smetana. Anschließend demonstrierte Tetelman im Trinklied aus Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“, dass er derzeit der italienischste aller Tenöre ist. „Salut! Demeure chaste et pure" machte später Lust auf die kommende Neuinszenierung von Charles Gounods „Faust“ mit dem in Chile geborenen Amerikaner.

Der 1988 in Chile geborene und in den USA aufgewachsene Jonathan Tetelman.
Der 1988 in Chile geborene und in den USA aufgewachsene Jonathan Tetelman. © Ben Wolf

Die vier Monitore über dem Spielfeld zeigten den perfekten Latin Lover. Diese Rolle verkörpert Tetelman perfekt, ohne darin völlig aufzugehen. Denn er weiß zwischen Verismo und dem französischen Drame lyrique  stilistisch zu unterscheiden, auch wenn er Gounods Faust musikalisch umverzärtelt als Mann darstellt, ohne einen Macho aus dem Professor zu machen.

Ein Querschnitt durch die neue Spielzeit

Die dunkel grundierte Sopranistin Ailyn Pérez wirkte in ihrer stilistischen Bandbreite viel besser eingesetzt wie zuletzt als Nedda in „I pagliacci“. Sie begann mit einem sehr ordentlichen „Lied an den Mond“ aus Antonín Dvořáks „Rusalka“. Am überzeugendsten gelang ihr wohl die Cavatina der Leonore als Giuseppe Verdis „Il trovatore“. Bei der Juwelenarie aus „Faust“ konnte man den Eindruck gewinnen, Margarete sei Carmens kleine Schwester, was bezeichnenderweise der Musik nicht widerspricht. Die ganze Rolle wird die Amerikanerin zwar nicht in der Premiere, dafür aber bei den Opernfestspielen im nächsten Sommer interpretieren.

Ailyn Pérez wurde 1979 in Chicago geboren. Bekannt wurde sie durch ihren Auftritt in Gounods "Roméo et Juliette" mit Rolando Villazón in Salzburg. In München gastierte sie zuletzt in Verdis "La traviata" und als Adina in Donizettis "Liebestrank".
Ailyn Pérez wurde 1979 in Chicago geboren. Bekannt wurde sie durch ihren Auftritt in Gounods "Roméo et Juliette" mit Rolando Villazón in Salzburg. In München gastierte sie zuletzt in Verdis "La traviata" und als Adina in Donizettis "Liebestrank". © Pisaroni

Auf die bevorstehende Erstaufführung der „Nacht vor Weihnachten“ von Nikolai Rimsky-Korsakow machte das Orchester mit einer Polonaise aufmerksam, die sich vor dem bekannteren Gegenstück aus Peter Tschaikowskys „Eugen Onegin“ nicht verstecken braucht. Der Chor überraschte mit der Introduktion aus Verdis „Nabucco“ und ließ den unvermeidlichen Gefangenenchor erst als Zugabe folgen. 

Der Werbeblock killt die Stimmung

Am Ende des offiziellen Teils gelang Tetelman noch eine eindrückliche Deutung von „E lucevan le stelle“ aus Giacomo Puccinis „Tosca“. Es scheint seiner Stimme nicht zu schaden, dass dieser Sänger derzeit wahllos alles an Terminen mitnimmt, was die weltweiten Spielpläne hergeben. Und wir drücken hier die Daumen, dass das so bleibt, weil Tetelman bei diesem Konzert musikalisch beweglicher wirkte wie bei seinem allzu erratischen Turiddu bei den Opernfestspielen.

Der BMW-Park am Rande des Westparks.
Der BMW-Park am Rande des Westparks. © imago

Auf die erste Zugabe folgte ein Werbeblock des Intendanten Serge Dorny. So berechtigt sein Anliegen auch war, so sehr kühlte es die starke Begeisterung herunter. Danach wären eigentlich Puccinis „O mio babbino caro“ und „Nessun dorma“ fällig gewesen, aber aus unerfindlichen Gründen wurden der Solistin und dem Solisten keine Zugaben zugebilligt. Es folgte nur noch das unvermeidliche Trinklied aus „La traviata“.

Rudi-Sedlmayer-Halle, auch BMW-Park genannt. Hier eröffnet die Bayrische Staatsoper ihre Saison mit einem Konzert bei freiem Eintritt,
Rudi-Sedlmayer-Halle, auch BMW-Park genannt. Hier eröffnet die Bayrische Staatsoper ihre Saison mit einem Konzert bei freiem Eintritt, © picture alliance/dpa

Das wirkte ein wenig lieblos. Die zuletzt kaum mehr für Konzerte genutzte Halle erwies sich, wenn man vom Mangel an Damentoiletten absieht, als guter Veranstaltungsort. Sie ist mit ihren etwas über 6000 Plätzen eigentlich genau der mittelgroße Saal, den Pop-Veranstalter in München immer wieder vermissen.

Die neue Spielzeit beginnt mit einem Akademiekonzert am 30. Oktober, der Premiere von Hans Werner Henzes "Die englische Katze" am 5. November im Cuvilliéstheater und dem Unicredit-Eröffnungsfest am 8. November im Nationaltheater

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