Sigi Zimmerschied über "Der siebte Tag"
Sigi Zimmerschied gastiert bis März mit seinem biblischen Programm „Der siebte Tag – Ein Erschöpfungsbericht“ in der Lach & Schieß
Engelbert Erz beriet seinen Chef bei einem universellen Experiment. Sie schufen in sechs Tagen ein komplexes Gebilde. Einen bisher nie dagewesenen Baukasten. Landschaften, Elemente, Lichtwechsel, Kreaturen, Emotionen. Dann schuf der Chef noch ein Wesen nach seinem Ebenbilde und wollte sich am siebten Tag ausruhen und mit Freude sein Werk betrachten. Aber sein Ärger wuchs. Mit dem biblischen Programm „Der siebte Tag – Ein Erschöpfungsbericht“ gastiert der Kabarettist und Schauspieler Sigi Zimmerschied bis Anfang März in der Lach & Schießgesellschaft.
AZ: Herr Zimmerschied, in „Der siebte Tag“ spielen Sie die Schöpfungsgeschichte nach, mit alternativem Verlauf. Wieso ein biblisches Thema?
SIGI ZIMMERSCHIED: Wir erleben gerade eine Renaissance des Irrationalismus. Auf allen Ebenen ist die Hirnfrequenz rückläufig, es gibt populistische Tendenzen, und religiös-konservative Inhalte spielen wieder eine Rolle. Vor diesem Hintergrund hat mich gereizt, den Schöpfungsgedanken anders zu interpretieren.
Und wie?
In der tradierten Schöpfungsgeschichte hat Gott am siebten Tag geruht und mit großem Wohlwollen sein Werk betrachtet. Aber mein Gott ist völlig außer sich und will diese Fehlkonstruktion sofort wieder vernichten. Nur sein Assistent will sie retten. Da machen sie einen Deal. Weil der Schöpfer eh so schwer lacht, sagt er: Wenn Du mich damit einmal im Jahr zum Lachen bringst, lass ich sie stehen. Sonst hau ich’s z’amm.
Was stört Gott an seiner Schöpfung?
Dass nichts funktioniert. Dieser Homo sapiens, dieses ihn verehrende Wesen, stellt sich als völlig unfähig raus. Und ein sehr profaner Aspekt ist, dass Gott in Widerstreit mit anderen Schöpfern steht. Alle fünf Milliarden Jahre gibt es eine Galaxiade, eine Art Schöpfer-Olympiade, und da hat er nur die Silbermedaille gewonnen.
Welche Schöpfung war besser?
Die eines ehemaligen Mathematikers: ein Universum aus sich selbst bestäubenden x-Gleichungen und manisch-depressiven Primzahlen. Das funktioniert einfach, das läuft wie geplant.
Ihr Gott erheitert sich bevorzugt an den großen Idiotien der Menschheit. Sein Problem, nur selten lachen zu können, sollte er im Moment im Griff haben.
Ja, aber es ist ja alles schon mal da gewesen. Wenn Du fünf Milliarden Jahre überschaust, kommt Dir so ein Trump nicht mehr außergewöhnlich vor. Das ist halt ein Despot mit einer komischen Frisur – was ist denn daran neu für einen ewigen Schöpfer?
Für uns ist’s schon neu. Wie hilft das Kabarett in Zeiten wie diesen?
Scherz, Satire und Ironie ändern zwar nichts, machen die Wirklichkeit aber zumindest erträglich und analysierbar: Ironie schafft Distanz, und aus dieser Distanz kann man alles nochmal reflektieren.
Ist das ein Grund, warum Kabarett beim Publikum gerade so beliebt ist?
Ich glaube, dass das Publikum eher der Comedy zuspricht, die diese elementaren Fragen eben nicht stellt. Ich unterscheide zwischen Lachen und Ablachen. Das Lachen, um das es mir geht, ist ein intellektueller Vorgang, ein Teil des Publikums sucht das. Aber Leute, deren Vorstellungen vom Kabarett von modernen Medien oder dem Freitagabend-Programm des Bayerischen Fernsehens geprägt sind, haben da eher Schwierigkeiten. Sie sind unglaublich pointenfixiert, wobei die Pointe gar nicht mehr wichtig ist – es geht nicht um den Inhalt der Pointe, sondern um die Pointe an sich.
Beeinflusst Ihr Publikum, was sie am jeweiligen Abend auf der Bühne machen?
Es gibt in diesem Programm einen Teil, in dem ich einen Zwischenruf provoziere. Je nachdem wie er ausfällt, muss ich fünf Minuten improvisieren. Da kann man nur hoffen, dass man an dem Abend gute Reflexe hat.
Passiert es auch, dass Sie da das Gefühl haben: Heute geht gar nichts?
Ja. Das Publikum merkt das nicht, weil man nach vierzig Jahren Routine hat. Aber es gibt den befürchteten General-Blackout. Den hat jeder Schauspieler dreimal im Leben, sagt man. Ich hatte ihn bis jetzt einmal, vor fünfzehn Jahren – er müsste eigentlich bald mal wieder fällig sein. Da geht es nicht mehr um die Frage: Wie geht der Text? Sondern: Wo bist Du? Da muss man halt in die Garderobe gehen, den Text holen, sich wieder einlesen, und dann kommt langsam die Erinnerung wieder.
Sie spielen „Der siebte Tag“ allein in München 55-mal: in der Lach- und Schießgesellschaft, später im Lustspielhaus und im Fraunhofer. Sie könnten das gleiche Publikum mit viel weniger Vorstellungen in größeren Sälen oder Hallen erreichen. Wieso machen Sie das nicht?
Bei mir erzählt sich neben dem Wort viel über Körper und Gesicht. Und das bekommt man nicht mehr mit, wenn man hundert Meter entfernt sitzt. Ich brauche diese dichten, fast schon klaustrophobischen Stimmungen, Räume, die einen Blick ermöglichen, und das hört nach gut 20 Metern auf.
Im März erhalten Sie den Großen Karl-Valentin-Preis. Was bedeutet ihnen das?
Man bekommt ja viel umgehängt, aber auf diesen Preis bin ich stolz, weil mir Valentin so früh so nah war. Meine Tante hat mir Schallplatten geschenkt, als ich vier oder fünf war. Seine Texte waren das erste, was ich auswendig konnte, ich habe meine ganze Umgebung damit terrorisiert. Valentin hat mich als Kind schon fasziniert, als ich diese Doppelbödigkeit, diesen Dreifachwitz noch gar nicht verstanden habe. Er ist wahrscheinlich der Urgrund, warum ich da gelandet bin, wo ich heute bin.
Welche Reaktionen haben sie mit Ihren Valentin-Vorträgen als Kind erzielt?
Zuerst war man stolz, dass sich der Bub was merken kann. Und dann ist’s halt zum Terror geworden. Wenn Verwandtschaft gekommen ist, habe ich mich hingestellt und die Texte aufgesagt. Der Stolz ist dann in Gereiztheit umgeschlagen. Diese Ambivalenz hat auch meine kabarettistische Arbeit begleitet: Man ist stolz – aber hat’s das wieder gebraucht, hat er das wieder so sagen müssen?
Haben Sie diese Konflikte mit Ihrer Familie bis heute?
Mit Teilen ja. Vom letzten Verwandtschaftstreffen bin ich wieder ausgeladen worden. Wir hatten einen Burgfrieden. Aber dann habe ich in einem Merian-Heft über Passau den Hauptartikel geschrieben, und zwar so, wie der Sigi früher geschrieben hat. Und da sind die alten Reflexe wieder aufgebrochen. Wenn mir einer auf die Schulter klopft, bin ich mir heute noch nicht sicher, ob er nicht daneben gehauen hat. Dominik Petzold
Bis 4. März, Lach- und Schießgesellschaft, Haimhauserstr. / Ecke Ursulastr., Karten unter Telefon 391997
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