Sigi Zimmerschied: Ein Grantler vor dem Herrn
München - Dieser Gott – er ist ein verspielter, aber auch ziemlich schüchterner Geselle. In der Lach- und Schießgesellschaft will der Unsichtbare, dieser Chef aller Chefs, nicht direkt in Erscheinung treten. Stattdessen lässt er seinen Berater Engelbert Erz, kurz: Berti, vor. Immer wieder raunzt der Richtung Backstage, sein Körper wider des Frontaltheaters bauchbewusst im Profil: Der Herr möge sich doch endlich zeigen!
Aber der erzürnte Erz muss alleine den Abend bestreiten. Am Anfang steht der hörbar in Niederbayern, womöglich Passau, sozialisierte Sidekick des Allmächtigen gar längere Zeit im Dunkeln, weil es eben auch erst mal Licht werden muss, in der Schöpfung wie im Kabarett, wo ja der Kabarettist, gottgleich, aber freilich in der Regel sichtbar, die Welt mit seiner Klugheit erhellen möge.
Wer hier die Kraft und die Herrlichkeit innehat, das macht Sigi Zimmerschied in seinem neuen Bühnenprogramm „Der siebte Tag – ein Erschöpfungsbericht“ schnell klar. Zimmerschied war schon immer ein begnadeter Grantler vor dem Herrn. Hier bringt er das monumental Himmlische der Schöpfungsgeschichte, in der sich auch Höllisches verbirgt, auf den trockenen Boden alternativer Fakten.
Dabei vermenschlicht er den Urheber aller Dinge aufs Herzlichste, was all die Mängel einschließt, die so ein Boss im Umgang mit sich bringt. Wenn Erz nach der Pause durcherzählt, wie die sieben Tage der Schöpfung eigentlich gelaufen sind, dann tut sich ein Abgrund aus Zufälligkeiten und Launen auf. Am vierten Tag beispielsweise hatte Gott einfach Lust auf ein Fußbad - mit allseits bekannten Folgen.
Auf der kleinen Bühne können in der Erzählung ganze Welten entstehen, der Einfallsreichtum und die Wortgewalt von Sigi Zimmerschied haben eh galaktische Ausmaße. So zerbröselt er den religiösen Mythos mit einer Leidenschaft und einem Witz, dass man dem Herrn für diesen Diener doch gratulieren möchte. Bisweilen lässt Erz die politische Correctness im Fluss seiner Tirade sausen, ach, seine Lieblingsfantasie ist die von Hitler, wie der nach einer Reichparteitagsrede sich standesrechtlich selbst in den Zipfel schießt, was die Massen zur Nachahmung inspiriert. Ein feines Bild fürs Kopfkino.
Die Zeiten ändern sich, was aber nur bedeutet, dass der menschliche Geist sich neue Formen sucht, um sich in seiner Begrenztheit zu offenbaren. Botschaften vom Krieg wurden einst mit der Feldpost übermittelt, heute mit Instagram: „Die Dummheit marschiert halt nicht mehr. Sie fliegt!“ Kein Wunder, dass Gott seine Schöpfung mit ihrem Drang zur Selbstzerstörung hasst, derweil Erz ihr liebevoll die Stange hält. Sogar vor dem Tod bewahrt er sie: Einmal im Jahr muss er den Herrn zum Lachen bringen, sonst droht die Totalvernichtung.
Humor als Rettung – das ist doch vielleicht die Utopie des Kabaretts schlechthin. Gottes Lachmuskeln scheinen jedoch müde zu sein, der robuste Erz droht zu scheitern. Sigi Zimmerschied hingegen legt hier ein Meisterstück hin, Schmunzeln garantiert.
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