Schauspielerin Anna Drexler kehrt zurück nach München
Über diese Rückkehr freut sich nicht nur die Rückkehrende, sondern auch das Münchner Theaterpublikum: Anna Drexler, einst langjähriges Ensemblemitglied an den Kammerspielen, ist seit dieser Spielzeit fest im Ensemble des Residenztheaters. Dort war sie bereits ein Jahr lang, 2017, bevor sie zusammen mit ihrem Lebenspartner Steven Scharf ans Bochumer Schauspielhaus ging. Ihre erste Rolle spielt Anna Drexler gleich in einem großen Ensemblestück: Der Norweger Johannes Holmen Dahl inszeniert "Die Wildente" seines Landsmanns Henrik Ibsen, Premiere ist morgen im Cuvilliéstheater.
AZ: Frau Drexler, willkommen zurück in München!
ANNA DREXLER: Danke schön! Es fühlt sich richtig gut an, wieder hier zu sein.
Wie kam es zu Ihrer Rückkehr? Hat sie mit dem Intendantenwechsel in Bochum zu tun, also, dass Nicolas Stemann im Sommer 2027 den jetzigen Intendanten Johan Simons ablösen wird?
Das ist ja noch ein bisschen hin. Es war vielmehr so, dass ich immer das Gefühl hatte, ich werde eines Tages nach München zurückkommen. Es gab da eine Sehnsucht, die nie wegging. Ich bin zwar nicht von hier, aber wurde an der Otto-Falckenberg-Schule ausgebildet und habe hier jahrelang gespielt. In dieser Zeit wurde München zu einer Art Heimat. Ich hatte sechs tolle Jahre in Bochum, aber Steven und ich, wir haben zwei Kinder und unser Sohn kommt bald in die Schule. Wir wollten ihn nicht einschulen, dann wieder rausholen, dann wieder einschulen. Insofern hat es sich angeboten, jetzt zurückzuziehen.

Sie und Steven Scharf sind jetzt beide im Ensemble des Residenztheaters, haben aber jahrelang an den Kammerspielen gearbeitet. Wieso sind Sie nicht zurück an die Kammerspiele?
Der Kontakt zum Haus war nicht so da wie zum Residenztheater. Nachdem wir beschlossen hatten, in Bochum aufzubrechen, habe ich die Initiative ergriffen und bin auf Andreas Beck zugegangen.
Was gefällt Ihnen an München?
Erstmal gibt es einfach dieses Bauchgefühl, ich fühle mich hier wohl. Die Stadt hat eine gute Größe, und die Nähe zu den Bergen ist für mich essenziell. Die Natur finde ich irre luxuriös hier - ich habe mir immer gewünscht, dass meine Kinder das auch kennenlernen werden. Man bekommt hier sehr viel Schönheit auf die Augen und natürlich ist das auch theatermäßig eine interessante, reichhaltige Stadt.
Ich schätze mal, Sie wollen jetzt nicht schlecht über Bochum reden.
Nein, Bochum ist eine sehr charismatische Stadt, die hat einen guten Vibe. Die Leute dort sind ganz besonders, sehr locker, die Stimmung ist gut. Am Ende war es uns ein bisschen zu klein. Ich habe mir mehr Eindrücke gewünscht, längere Strecken, die ich zurücklegen kann. Aber Bochum ist für immer in meinem Herzen.

Dass Sie nach Bochum gegangen sind, hat wohl mit Johan Simons zu tun, der als Intendant von den Münchner Kammerspielen zum Bochumer Schauspielhaus gewechselt ist.
Ja, das war sicherlich ein Hauptgrund: Johan und die Leute, die er um sich versammelt. Mit diesen Menschen habe ich einen Großteil meiner beruflichen Zeit verbracht, diese Zusammenarbeit hat mich maßgeblich geprägt. Außerdem hatte ich in Bochum die Möglichkeit, mit Christopher Rüping weiter zusammenzuarbeiten, was mir sehr viel bedeutet.
Für Ihre Performance in Rüpings Bochumer Inszenierung von "Trauer ist das Ding mit Federn" wurden Sie vor kurzem für den Deutschen Theaterpreis "Der Faust" nominiert. Sie spielen eine Krähe, die einer Familie bei der Trauerarbeit hilft. Ist das eine Rolle, in der Sie sich besonders wohlfühlen?
Das ist ein Stück, in dem ich mich besonders wohl fühle! Ich würde dazu alle meine Freunde einladen - was ich auch getan habe. Die Krähe ist dabei vieles: Sie ist eine Trickster-Figur, die zwischen den Welten jongliert und sich nach eigenen Regeln verhält, beziehungsweise, sie hat keine. Oft fasst man Trauernde mit Samthandschuhen an; es gibt da eine Sprachlosigkeit, ein Schweigen. Die Krähe schüttelt das alles sehr anarchisch durcheinander.
"Die Wildente" dreht sich nun um einen Mann, der nach Jahren in sein Elternhaus zurückkehrt, den väterlichen Betrieb aber nicht übernehmen will, sondern sich bei einem Jugendfreund einquartiert, dessen Frau Gina Sie spielen. Die ist Hausfrau und Mutter, schafft aber auch das Geld heran.
Ja, sie leitete alle Geschäfte des Hauses, während ihr Mann ein Erfinder ist und in der Fantasie lebt, genial zu sein. Er bekommt nichts richtig auf die Beine gestellt, während sie die Fäden in der Hand hält - so fühlt sich das für mich zumindest an.
"Die Frauenrollen altern da oft nicht gut"
Gina ist eine brave Hausfrau, bedient immer wieder die Gäste ihres Mannes.
Das versuche ich natürlich irgendwie auszuhebeln. Konstant. Wenn gesagt wird, sie ist die Hausdame, dann denke ich mir, dass sie lieber gerade was in die Wand dübelt als dass sie den Gästen Schnittchen macht.
Sie trägt ein Geheimnis mit sich, das ihr Mann aufdeckt und ihr heftige Schuldzuweisungen einbringt, wobei man das aus heutiger Sicht ganz anders sehen würde. Wie gehen Sie damit um?
Für mich ist es monströs, was dieser Frau passiert ist, insofern muss ich schauen, wie ich für mich etwas erschaffe, dass ich vertreten kann. Gleichzeitig ist das Gefüge des Stücks komplex, es ist ein gut gebauter Krimi - da darf man nicht allzu viel verändern, sonst funktioniert das ganze Domino nicht. Das Extreme des Stücks, seine Brutalität, die Unausweichlichkeit des Konflikts und seines Ausgangs darf man nicht weichspülen, insofern befindet man sich da schon ein bisschen in der Zwickmühle.
Was gerade bei Klassikern öfters passiert.
Ja, die Frauenrollen altern da oft nicht gut. Das ist nichts Neues.
Sie müssen also wie ein Maulwurf die alten Stücke unterwandern?
Das mache nicht nur ich, sondern alle Kolleginnen, mit denen ich im Austausch bin: Wir versuchen, dem, was in diesen Stücken steht, etwas entgegenzusetzen, die weiblichen Figuren so umzugestalten, dass ihre Geschichten relevant werden, für die heutige Zeit, für mich, für alle, die ins Theater gehen. Aber das ermüdet natürlich. Es gibt abseits von diesem Unterwandern so viele Widerstände, aus denen ich lieber Inspiration schöpfen würde und Auseinandersetzungen, die ich lieber führen würde. Die nicht immer in diesem Frauen-Männer-Referenzsystem verankert sind. Klar, kann ich die Gina in der "Wildente" zum Beispiel "stärker" spielen, aber sie befindet sich am Ende immer in den Fängen von Ibsen, in einem Gesellschaftskonstrukt, in dem sie am Ende durchs Netz fällt, weil sie eine Frau ist, weil für sie als Frau andere Regeln gelten.

Die Frauenfiguren, die Sie an den Kammerspielen gespielt haben, sind als "stark" in Erinnerung geblieben. Ihren Durchbruch hatten sie 2014, als Sie knapp zwei Wochen vor der Premiere als Sonja in "Onkel Wanja" eingesprungen sind. Wie haben Sie diesen Abend erlebt?
Damals war ich noch Schülerin auf der Falckenbergschule. Johan Simons hat kurzfristig die Regie übernommen, ich sprang für die Schauspielerin der Sonja ein und war völlig absorbiert von der Aufgabe, mir innerhalb von zehn Tagen diese Rolle anzueignen. Das war wohl mein Durchbruch, aber für solche Gedanken war bei der Premiere und auch kurz darauf kein Platz. Ich bin manchmal heute noch erstaunt darüber, dass ich das gemacht habe.
"Ich habe mich bei den Proben furchtbar verliebt"
Sie haben dann später unter der Regie von Stephan Kimmig in "Liliom" mitgespielt. Und lernten dabei Steven Scharf kennen?
Ja, das war so ein Once-in-a-lifetime-Ding. Während der Proben dachte ich, hoffentlich merkt keiner, dass ich mich furchtbar in ihn verliebt habe, aber wie ich später gehört habe, konnte ich das nicht sehr erfolgreich verstecken. Wir haben dann später noch ein paar Mal zusammengespielt, zum Beispiel "Woyzeck" in Wien, da habe ich die Marie gespielt. Mit Steven zu spielen ist sehr besonders, weil wir uns so gut kennen.
Wenn Sie jetzt nach München zurückkehren - ziehen Sie da einen Vergleich zwischen dem, wer sie damals waren und wer Sie heute sind?
Schon. Ich mache eine Rechnung auf, nein… ich ziehe ein Resümee und klar, es hat sich sehr viel verändert. Insbesondere bin ich heute Mutter und spiele nicht mehr die Hauptrolle in meinem eigenen Leben. Ich befinde mich mitten in dieser Kleinkind-Phase; das ist oft das pure, perfekte Chaos. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass es tatsächlich möglich ist, Elternschaft und Beruf unter einen Hut bringen; es sei denn, man erzwingt es auf eigene Kosten. Steven und ich teilen uns alles auf, so ist das irgendwie machbar. Das Arbeiten fühlt sich grade nach "Zeit für mich an". Ich bin sehr dankbar für meinen Beruf!
Die Premiere 17.10. im Cuvilliéstheater ist ausverkauft. Restkarten evtl. an der Abendkasse, weitere Vorstellungen wieder am 20., 23. und 27. Oktober, www.residenztheater.de
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