Schauspieler Thomas Holtzmann ist tot

45 Jahre spielte er an den Kammerspielen und später am Resi vor allem die schweren Helden. Mit 85 Jahren ist er in einem Pflegeheim in München gestorben.
Adrian Prechtel |
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45 Jahre spielte er an den Kammerspielen und später am Resi vor allem die schweren Helden. Mit 85 Jahren ist er in einem Pflegeheim in München gestorben.

Gegen Ende seines großen Theaterlebens nahm er noch einmal – nur mit Text und einem Glas Wasser bewaffnet – das Große ins Visier.

Schon die Ankündigung „Thomas Holtzmann liest die Odyssee“ füllte spielend den weihevoll rohen Raum der Allerheiligenhofkirche. So wurde das epische Spiel von sechs Abenden auch mehrfach von 2004 bis 2007 widerholt.

Thomas Holtzmann selbst aber scheute große Worte, wenn es um ihn selbst ging. Aber ohne sie kommt man beim Reden über diesen Schauspieler nicht aus. „80 - kein Mensch kann mich bewegen, das schön zu finden“, sagte er vor fünf Jahren zur Abendzeitung über seinen runden Geburtstag: Und: „Es gibt kein Fazit. Es ist einfach ein Jahr mehr."

Jetzt ist Thomas Holtzmann mit 85 Jahren im Münchner Herzogpark gestorben.

Alle außer König Lear

Seit er 1961 in Berlin als Prinz von Homburg Furore machte, hat der Münchner alle wichtigen Rollen der Weltliteratur gespielt. Außer vielleicht König Lear. Den überließ er 1992 Rolf Boysen, mit dem er die Garderobe und schon 1969 in Kortners „Clavigo" die Bühne geteilt hatte. Er selbst war lieber der Gloucester in Dieter Dorns spektakulärer „Lear“-Inszenierung.

Boysen war an den Kammerspielen (wo Holtzmann seit 1978 engagiert war) und am Residenz Theater (wohin beide 2001 mit Dieter Dorn wechselten) immer wieder Holtzmanns Bühnenpartner: Am Ende als Shylock im „Kaufmann von Venedig" und in Thomas Bernhards Brüder-Komödie „Der Schein trügt".

Theater statt internationaler Filmkarriere

In den 50ern und 60ern war Holtzmann auch ein Fernsehstar, der Film „Wer sind Sie, Dr. Sorge?" brachte ihm Weltruhm. Orson Welles drehte mit ihm Kafkas „Prozess“, Louis Malle wollte ihn engagiern.

Dass ihm das Theater allerdings eine internationale Filmkarriere verbaut hat, wurmte ihn schon etwas. „Man kann nicht alles haben", sagte Holtzmann lakonisch uund blieb dem Theater treu – in Wien, Berlin oder Salzburg.

In München konnte man ihn 45 Jahre an den Kammerspielen und später am Resi seine schweren Helden wie seine Liebe zu modernen und komischen Rollen erleben wie sein tragikomisch angelegter Malvolio in William Shakespeare „Was ihr wollt“.

„Ich habe immer Glück gehabt. Deshalb habe ich auch keine offenen Wünsche – und Wunschrollen schon gar nicht.“, resümierte er an seinem 75. Geburtstag: „Ich habe so viele Wunschrollen gespielt, sie sind mir regelrecht übergekübelt worden, und ich habe es gar nicht zu schätzen gewusst."

„Spezialist in gefasster Bühnendämonie" - so beschrieb der Berliner Kritiker Friedrich Luft den jungen Schauspieler. Und als Thomas Holtzmann 1961 im Residenztheater sein München-Debüt als Hamlet gab, nannte ihn Joachim Kaiser ein Talent, „wie es seit Oskar Werners Beginn auf der deutschen Bühne kaum mehr erschienen ist."

"Ich habe mich bei ihm auf dem Perserteppich gewälzt und Monologe vorgesprochen"

1927 in München geboren als Sohn eines Journalisten, studierte er Theaterwissenschaft und spielte erstmals 1949 am Ateliertheater Schwabing. Schauspielunterricht hatte er - außer ein paar Stunden Sprechtechnik - nie. „Es gab damals in München einen berühmten Theateragenten, zu dem ging ich in der Zeit der Währungsreform, habe mich bei ihm auf dem Perserteppich gewälzt und Monologe vorgesprochen.“

1,90 Meter groß, sportlich, markanter Charakterkopf mit tiefen Wangenfurchen - er war prädestiniert für die schweren Helden. „Ich wollte die grossen schweren Rollen eigentlich nie spielen, denn man bricht sich natürlich mit den Über-Rollen das Genick", bekannte er. Auch seine Sehnsucht nach komischen Rollen hat sich früh erfüllt wie als Landstreicher Wladimir in Taboris Inszenierung von „Warten auf Godot".

Holtzmann liebte das Reisen, schwärmte von der Südsee-Insel Bora Bora und vom Nanga Parbat, für den er sich jahrelang um ein Permit bemühte. Das Tauchen jedoch, auch ein grosses Hobby, hatt er erst mit 78 Jahren aufgegeben.

In Becketts „Endspiel“ geht das Rede-Duell direkt in die Hölle, ins Nichts. Thomas Holtzmann spielte 2002 in der Inszenierung am Resi die Figur des Hamm mit eingefrorener Haltung die kalte Bitternis des Alters.

Die hat Holtzmann selbst in seinem späten Leben immer stark und warmherzig überspielt.

 

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