Samtpfotige Schwerstarbeit
Schon weltweit 50 Millionen Menschen haben sich Andrew Lloyd Webbers Musical „Cats“ angesehen, aber die Begeisterung ebbt nicht ab – jetzt kommt die Show mit eigenem Theaterzelt nach München.
München - Erst mal fauchen, dazu ein paar Sprünge quer über die Bühne, das ist der tägliche Ritus. Anderthalb Stunden vor der Show bringen sich Schirin, Robert und die 20 anderen der Truppe in Stimmung. Und vor allem in diesen speziellen Katzen-Swing. Von Pflicht oder langweiliger Routine ist nichts zu spüren. Mag sein, weil ein paar Journalisten zum Aufwärmen gekommen sind. Andererseits hält man die zwei Stunden kaum durch, wenn man nicht schnell Unmengen Energie aktivieren kann.
Für Produktionsleiter Juan Excandell ist „Cats“ der Gipfel. Kein anderes Musical erfordert so viel Kraft. Gleich am Anfang des „Jellicle Ball“ laufen seine Leute 15 Minuten lang auf Hochtouren, so wie Leistungssportler beim Endspurt. „In den ersten zwei Wochen verlieren die Tänzer etwa fünf Kilo“, erzählt der eher gemütliche Juan mit einem Hauch väterlicher Fürsorge im Blick. Aber da ist weit mehr als die enorme körperliche Beanspruchung. Wer sich bis zu „Cats“ vorgetanzt hat, muss auch singen können. Und schauspielern.
Es soll Darsteller geben, die Andrew Lloyd Webbers Dauererfolgsmusical nicht ausstehen können, sich aber trotzdem um die Rollen reißen. „Wer hier dabei ist“, betont Juan, „hat bewiesen, dass er extrem belastbar ist. Etwas Besseres gibt es nicht fürs Portfolio.“ Und das, seit „Cats“ auf der Bühne ist. 1981 wurde die poppig bunte Revue in London uraufgeführt. Der Komponist von „Jesus Christ Superstar“ oder „Evita“ galt damals schon als Garant für Kassenschlager.
Aber der große Katzenball auf der Basis einer in England ziemlich populären Gedichtsammlung von T. S. Eliot übertraf alle Erwartungen. Tausende Zuschauer strömten schon in den ersten Monaten ins Londoner West End, ab 1982 auch an den Broadway. Für alles Mögliche hagelte es Tony Awards, also die Oscars der Musical-Szene. Und der Song „Memory“, in dem sich die alte Grizabella an ihre glamouröse Katzenjugend erinnert, wurde bald von Superstars wie Barbara Streisand geschluchzt.
Weltweit haben inzwischen über 50 Millionen Zuschauer das Musical gesehen, doch Katzen sind bekanntlich zäh und ausdauernd. Deshalb ist die Produktion seit 2011 wieder unterwegs – in der Londoner Ur-Version. Das heißt: in der immer noch ziemlich aufregenden Choreografie von Gillian Lynne, den aufwändigen Kostümen, die eigentlich viel zu schade sind für eine Sause auf der Müllkippe, und auf der legendären Rundbühne. Um die gruppieren sich 1800 Plätze, doch kein Zuschauer fühlt sich abgehängt. Die Entfernung zur Show dürften 25 Meter kaum überschreiten. In Reihe 10 jedenfalls hat man die Viecher fast auf dem Schoß, und zwischendurch zischt schon mal ein gelenkiges Katzentier direkt an einem vorbei.
Man zieht unwillkürlich die Beine zurück. Und wundert sich. Aber Mungo Jerry, der akrobatisch sensationelle Mistoffelees und selbst der dickwanstige, an Shakespeares Falstaff erinnernde Bustopher Jones finden sich im Dunkeln leicht zurecht. Wie echte Katzen. Und das Zelt auf dem Cannstatter Wasen ist bis auf den allerletzten Platz gefüllt.
Fast zwei Stunden rasen, fliegen, biegen, überschlagen sich Alonzo, Bombalurina und Co. auf dem Schrottplatz. Jede Katze hat hier ihre eigene Geschichte. Jede führt ihr eigenes, individuelles Bühnendasein mit den üblichen – menschlichen – Verstrickungen. Und nach einigen Turbulenzen samt Entführung und knackigen Seitenhieben aufs Regietheater darf die ausgestoßene Grizabella wieder heim in die „Jellicle“-Crew. Wer so herzzerreißend „Sehnsucht“ in die Einsamkeit schmettert – in diesem Fall tut das die eindringliche Masha Karell –, der bekommt noch ein zweites Katzenleben dazu. Grizabella ist am Ende die Auserwählte, die zum „Heaviside Layer“ reisen darf.Und als wäre das nicht schon theatralisch genug, fährt Alt Deuteronimus, der weise Methusalem unter den Cats, wie in einer Apotheose zum Himmel auf. Harter Tobak, aber das Pathos kommt gut bei den Fans, die reihenweise von den Sitzen springen.So will es das Stück. Und ein völlig begeistertes Publikum.
Dann geht’s zurück ins ganz normale Dasein. „Grizabella“ Masha, die schnell noch mit ihren Kindern geskypt hat, und Robert, der den Anführer Munkustrap stemmt, sind mit zum Vetter gekommen, einer angesagten Weinstube mit ambitionierter Küche im Stuttgarter Heusteigviertel. Beide fackeln nicht lange rum, Lamm mit Kartoffelgratin darf’s schon sein. Trollinger und Nachtisch sowieso. Kalorien müssen getankt werden. Da funktioniert die Welt des Musicals dann doch bodenständiger als die des Balletts. Robert, der sonst durchaus auf seine Waschbrettfront achtet, spitzt schon aufs bayerische Essen. Nach Stuttgart und jetzt Nürnberg zieht die Produktion mit 68 Trucks ins Münchner Westend. Premiere im Katzenzelt ist am 19. Januar.
„Cats“, 19. Januar bis 17. Februar am U-Bahnhof Westendstraße, Karten ab 19,90 Euro, 54818181, www.cats.de
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