Salzburgs schönste Tradition
Die Münchner Schauspielerin Brigitte Hobmeier spielt die Rolle der Buhlschaft im neuen Salzburger "Jedermann"
Die Rolle ist nicht groß: Nur etwa 40 Zeilen hat die Buhlschaft in Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ zu sprechen. Das 1911 in Berlin uraufgeführte Mysterienspiel gehört seit 1920 zum Ritual der Salzburger Festspiele – aufgeführt unter freiem Himmel auf dem Platz vor dem barocken Dom.
Seit den Zeiten des Gründervaters Max Reinhardt versammeln sich alle Größen des deutschsprachigen Theaters, um den Tod und die Bekehrung eines reichen Mannes aufzuführen. Und wer die Buhlschaft übertragen bekommt, avanciert zum Sex-Symbol des klassischen Sprechtheaters.
Brigitte Hobmeier, gebürtige Münchnerin und Star der Kammerspiele, eilt auf einem Fahrrad in Jedermanns Arme. Ehe sie das Angebot annahm, suchte sie bei ihrem Mann und ihrem Sohn „innerfamiliären Schulterschluss“. Sie nennt es „eine große Ehre“, die Rolle zu spielen, die vor ihr Veronica Ferres, Sunnyi Melles, Elisabeth Trissenaar, Senta Berger oder Christiane Hörbiger verkörperten.
Wer im standesgemäßen Trachtenanzug oder Dirndl auf den harten Bänken Platz nimmt, will Stars und Gewohntes sehen. Jeder Chef der Festspiele hat einmal angekünfigt, den „Jedermann“ reformieren zu wollen. Fast alle sind gescheitert. Glück hatte nur Peter Ruzicka, der 2002 Christian Stückl holte. Seine Regie tilgte letzte Reste der Ur-Inszenierung von Max Reinhardt. Nun machte sich ein Duo ans fromme Werk: der Amerikaner Brian Mertes und der Brite Julian Crouch. Das ist nicht ganz so denkmalstürmerisch, wie es aussieht, denn Hofmannsthals Opus ist eine Bearbeitung des englischen Mystery Plays „Everyman“ aus dem späten Mittelalter.
Die Neuinszenierung wird unvermeidlich an der beliebten Stückl-Regie gemessen werden. „Jetzt kommt, Leute, seid doch froh, dass nicht alles gleich ist“, appelliert Brigitte Hobmeier zur Offenheit. „Die Bühne kann nicht dafür da sein, die Sehnsucht nach Vergangenheit zu befriedigen.“
Nach bisherigen Äußerungen des Regieduos zeichnet sich eine Gratwanderung zwischen Spiegelungen der übermächtigen Tradition und einer interkulturellen Sichtweise auf das „Mysterium unserer Sterblichkeit“ ab. Hobmeiers Jedermann Cornelius Obonya lebt diesen Widerstreit in sich: Schon sein Großvater Attila Hörbiger hat den „Jedermann“ am Domplatz gespielt.