Salvatore Sciarrinos "Lohengrin" mit der phänomenalen Sarah Maria Sun
In den Trümmern einer Beziehung: Michael Sturminger inszeniert Salvatore Sciarrinos Kammeroper „Lohengrin“ bei den Osterfestspielen – auf fulminante Weise
Eigentlich gibt es nur einen „Lohengrin“ – den von Richard Wagner. Es ist recht mutig, diesen Titel einem weiteren Bühnenwerk zu geben. Der Sizilianer Salvatore Sciarrino hat es 1984 gewagt. Die Osterfestspiele in Salzburg zeigen seine „Azione invisibile“ für Sänger, Instrumente und Stimmen als kleine, feine Produktion in der Großen Aula der Universität.
Musikalisch verbindet Sciarrino mit Wagner allenfalls die Liebe zur Oberschwingung der Saiten, dem sogenannten Flageolett. Im großen „Lohengrin“ ist diese Technik am Beginn des Vorspiels zu hören. Bei Sciarrino ist es eine von vielen geräuschhaften Spieltechniken. Und weil das Österreichische Ensemble für Neue Musik unter Peter Tilling fast immer extrem leise spielen muss, ist meist nicht zweifelsfrei zu entscheiden, welche Instrumente gerade ertönen.
Inszeniert hat Michael Sturminger, dessen „Just Call Me God“ mit John Malkovich gerade in München gespielt wurde und der in Salzburg einen neuen „Jedermann“ auf den Domplatz bringen wird. Er beginnt mit einem Knalleffekt: Nach einem von Sciarrino dezent verfremdeten Madrigal von Claudio Monteverdi öffnet sich der schwarze Kasten. Angesichts der kargen Bühnenverhältnisse in der Aula erwartet niemand ein verwüstetes Zimmer mit Meerblick und zertrümmertem Badezimmer.
Mann und Frau mit zwei Stimmen
Hier hat sich offenbar ein Beziehungsdrama ereignet. Elsa spielt es nach. Es ist sozusagen die Essenz der Konstellation zwischen Mann und Frau aus Wagners „Lohengrin“: Eine Frau idealisierte den Mann, wurde verlassen und verzweifelt nun in den Trümmern dieser Beziehung. Was die Sopranistin Sarah Maria Sun da aufführt, ist einfach sensationell. Sie ist Mann und Frau gleichzeitig, mit zwei musikalisch verfremdeten Stimmen, einer guttural tiefen und einer natürlichen. Dazwischen hat sie außerdem noch Sciarrinos Zisch- und Gurrgesang zu bewältigen.
In Sturmingers Inszenierung könnte es sein, dass Elsa ihr Beziehungstrauma nacherzählt, um es (vergeblich) zu bewältigen. Vielleicht sehen wir aber auch eine Frau mit multipler Persönlichkeit. Wenn am Ende Monteverdis „Lamento della Ninfa“ verfremdet wiederkehrt, erstickt sie ein Kind. Ein hartes, starkes, verstörendes Beziehungsdrama.
Wer gerade in der Nähe ist, sollte dieses fulminante, 70 Minuten kurze Kammerspiel nicht verpassen.
Salzburg, Große Uni-Aula, gegenüber dem Festspielhaus, wieder am 12. April, 21.30 Uhr und am 16. April, 15 Uhr, Infos unter www.osterfestspiele-salzburg.at
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