"Rocky Horror Show" im Deutschen Theater: Lebendiges Musical-Museum
Die größte Überraschung der München-Premiere war, dass sie kein Happening von Mädels und Jungs der 60-Plus-Generation war. Die meisten, die hier übermütig den Kult mitfeierten, waren zur Premiere des Films 1975 längst noch nicht geplant. Nach alter Väter und natürlich auch Mütter Sitte simulierten sie trotzdem den Regen zu Beginn recht feucht, schwenkten beim Song "I See A Light" Lämpchen oder warfen zur Hochzeit von Rocky und Frank'n'Furter zum Ende des ersten Akts Konfetti.
Sky du Mont verkörpert noch bis Sonntag den Erzähler
Schon zwei Jahre vor der Verfilmung hatte in London die Uraufführung der Bühnenshow stattgefunden, aber nach wenigen Wochen war das Werk erst einmal in der Versenkung verschwunden. Keine Überraschung ist natürlich, dass Sky du Mont weder Strapse noch schwarze Reizmieder trägt. Er tritt als Erzähler auf in zwar schwarzem, aber, wie man es bei ihm schätzt, hoch elegantem Zwirn. Der Schauspieler wird bis Sonntag im Deutschen Theater zum Ensemble der "Rocky Horror Show" gehören.
Danach werden Hardy Krüger jr. und in der dritten Woche Rufus Beck übernehmen. In Wien etwa spielte Klaus Eberhartinger, Frontmann der Ersten Allgemeinen Verunsicherung, den seriösen Gelehrten auf dem Gebiet des Abnormen und in Berlin sprang sogar der in vielen parlamentarischen Wortscharmützeln gestählte Polit-Star Gregor Gysi für zwei Abende ein. Denn die Rolle des Erzählers ist ein harter Job. Sein Vortrag wird traditionsgemäß mit Rufen wie "Langweilig!" niedergebrüllt.
Schräges Musical ist an Original-Idee angelehnt
Mit lässigem Charme lästert du Mont zurück, denn "ich werde ja bezahlt". Als ihm eine Dame im Publikum - nur verbal - an die Wäsche wollte, konterte etwas weniger charmant: "Ich bin froh, dass ich Sie nicht sehen kann". Abgesehen von solchen Impro-Momenten ist das schräge Musical dicht angelegt an das, was Richard O'Brien einst ausheckte. Der sexzentrische Wissenschaftler Frank'n'Furter (Oliver Savile) ist ein Alien auf High Heels, das auf der Erde einen Lustknaben namens Rocky (Ryan Goscinski) erschuf.
Die frisch verlobten Janet (Claire Keenan) und Brad (Sev Keoshgerian) kommen nach einer Autopanne in das Spukschloss, das den Besuchern aus der Galaxie Transylvania als Raumschiff dient. Eigentlich wollten die beiden nur schnell mal telefonieren, geraten aber in eine bizarr frivole Party. Um die bestens vorbereiteten und textsicheren Fans bei Laune zu halten, sieht alles aus wie immer und Regisseur Sam Buntrock bedient mit der aktuellen Überarbeitung seiner 14 Jahre alten Inszenierung zunächst die Erwartungen an das Drag-Show-Museum.
Doch im Verlauf des Abend dreht er an der einen oder anderen Stellschraube. Die auffälligste Änderung betrifft Franks Outfit: Er trägt die Haare streng gestriegelt, er ist blond, und zum Finale tritt er mit blonder Lockenpracht auf.
Outfit einer Filmdiva der 1930er Jahre
Dabei ist er in ein langes, cremefarbenes Kleid gehüllt wie eine Filmdiva der Dreißiger Jahre. Und die Sexspiele, die Frank mit seinen beiden von der ambitioniert genderübergreifenden Erotik überforderten Gästen treibt, bleiben zwar Schattenspiele, sind aber expliziter, als man das vor 45 Jahren noch zu wagen wagte.
Dazu gehört auch ein zeitgemäßes Überwältigungskonzept, das bei den an den wuchtigen Sounds und blitzzuckenden Lichteffekten der Clubs gewöhnten Kids seine Wirkung nicht verfehlt. Mit dem Finale verlässt Buntrock die vertraute Bilderwelt endgültig und macht sein eigenes Ding. Hinter der surrealistischen Fantastik kann man unterdessen der von Dan Tomkinson geleiteten Band bei der Arbeit an einem knüppelharten Klangteppich zusehen.
Deutsches Theater, bis 3. April, Di. bis Sa. 19.30 Uhr, Samstag auch 15 Uhr, Sonntag 14.30 und 19 Uhr, Karten unter 089/55234444.
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