Kritik

Riesenerfolg für Intendanten Jonas Kaufmann: So lief der Doppelabend mit "Herzog Blaubarts Burg" und "La voix humaine" in Erl

Die Tiroler Festspiele zeigen einen musikalisch überzeugenden, exzellent besetzten und rund inszenierten Doppelabend mit Einaktern von Béla Bartók und Francis Poulenc.
von  Robert Braunmüller
Florian Boesch als Blaubart.
Florian Boesch als Blaubart. © Monika Rittershaus

Auf den Regisseur Claus Guth ist Verlass. Seine Inszenierungen sind psychologisch genau und im Detail oft subtil. Regelmäßig trifft bei ihm eine junge Frau in zeitlos großbürgerlichen Innenräumen auf einen väterlichen Herrn im besten Alter, um ein erotisches Problem zu verhandeln. Und rüschig berockte Doubletten dieser Dame sind meist auch nicht fern.

Trotzdem verbietet es sich, von einer Masche zu sprechen, weil das Prinzip bei vielen Opern sehr gut funktioniert, ohne die Geschichten angestrengt zu verdrehen. Geradezu exemplarisch klappt es bei einem Doppelabend der Tiroler Festspiele Erl, der Béla Bartóks Einakter „Herzog Blaubarts Burg“ mit Francis Poulencs Monodram „La voix humaine“ zusammenbringt. Denn jenseits einer handwerklich soliden Inszenierung bietet das seit dem Winter von Jonas Kaufmann geleitete Festival hier eine Besetzung auf, deren Stimmen und Persönlichkeit optimal zu den beiden Opern passen.

Florian Boesch bringt für den Blaubart nicht nur heldenbaritonale Wucht mit, er singt Leiseres mit der intelligenten Differenzierung und Subtilität eines Liedsängers. Und die Schärfen seiner Stimme sind bei Bartóks Moderne und der Rolle bestens aufgehoben. Ähnliches gilt für die kraftvolle Mezzosopranistin Christel Loetsch, die wie Boesch eine herausragende Sängerdarstellerin ist.

Florian Boesch und Christel Loetzsch in "Herzog Blaubarts Burg".
Florian Boesch und Christel Loetzsch in "Herzog Blaubarts Burg". © Monika Rittershaus

Beides hilft, diesen musikalisch wie dramaturgisch bisweilen etwas steifen Einakter eines wenig theateraffinen Komponisten lebendig zu machen. Guth erzählt die Geschichte einer verliebten Frau, die es leider versäumt hat, vor der Hochzeit mit ihrem Mann über seine Vergangenheit zu sprechen. Und der erweist sich leider auch durch ihre Nacktkeit vollkommen unverführ- und unerlösbar, weil er offenbar Frauen nicht in ihrer Individualität liebt, sondern erst nach ihrer Umwandlung in ein Püppchen.

Eine sorgfältige Aufführung

Später fällt die Asche einer vom Kaminsims fallenden Urne auf ein Bärenfell, auf dem sich Judith erotisch drapiert hat. Der Schluss erinnert ein wenig an die Konstellation aus Alfred Hitchcocks „Vertigo“, wenn Blaubart Judith ein Kleid anzieht, das auch seine drei Ehemaligen tragen (Bühne: Monika Korpa, Kostüme: Anna Sofie Tuma).

In der Zwischenzeit hat sich der Salon zusammengesetzt und mit dem Öffnen der letzten Tür in Bartóks Oper ganz geschlossen. Was genau auf Blaubart lastet, bleibt im Unklaren. Was aber eine Stärke der Inszenierung ist, die ihren psychologischen Realismus durch maßvoll surreale Rätsel in jene mythische Sphäre hebt, auf die der von Bartók vertonte Text raunend hinauswollte. Und diese Anverwandlung des Stoffs funktioniert besser als jede angestrengte Aktualisierung.

Barbara Hannigan in "La voix humaine"
Barbara Hannigan in "La voix humaine" © Monika Rittershaus

Zur Sorgfalt dieser Aufführung gehört, dass auch der fast immer weggelassene gesprochene Prolog (Gergö Kaszás sonor vom Band) beibehalten wurde. Die genaue Arbeit aller Beteiligten toppt nach der Pause dann Barbara Hannigan als hektische, das Hysterische streifende, verlassene Ehefrau in Poulencs Monodram.

Das Finale als Geschlechterkampf

Guth hat sich richtigerweise entschlossen, nach dem psychologischen Surrealismus des ersten Teils auf die Fähigkeit der kanadische Alleskönnerin zu setzen, auch stilisiert und tänzerisch spielen zu können. Hannigan raucht hektisch, präsentiert aus einem Koffer ihre Frustkäufe und balanciert den Telefonhörer auf dem Bett liegend mit den Füßen. Dazu singt sie mit müheloser Selbstverständlichkeit. In den letzten Minuten, wenn das Zimmer aus „Herzog Blaubarts Burg“ wieder auftaucht, wird die Aufführung so überraschend wie zwingend noch zum Melodram.

Florian Boesch als Blaubart.
Florian Boesch als Blaubart.

Zwischen dem Einakter aus dem Jahr 1911 und der zeitlos klassischen Moderne von Poulencs „La voix humaine“ von 1959 vermittelt ein Satz dem „Konzert für Orchester“ von 1943. Das passt auch deswegen sehr gut, weil der junge ungarische Dirigent Martin Rajna exemplarisch hörbar macht, wieviel vom reifen Bartók bereits in diesem Frühwerk steckt. Die in manchen Aufführungen oft sehr steife Partitur klingt ungewöhnlich farbig, die schroffen Gegensätze werden herausgestellt und zugleich vermittelt.

Jonas Kaufmann im Maisfeld vor dem Festspielhaus in Erl.
Jonas Kaufmann im Maisfeld vor dem Festspielhaus in Erl. © Xiomara Bender

Das können berühmtere Dirigenten nur ausnahmsweise besser. Dieser ungewöhnlich runde, herausragend gut besetzte und szenisch spannende Abend wurde begeistert aufgenommen, obwohl das Publikum in Erl eher Wagner oder Belcanto erwartet.

Es ist eine Ermutigung, das Profil dieses immer noch ein wenig nach seinem Sinn suchenden Festivals durch – in Maßen – sperrigere Werke und szenisch unkonventionelle Aufführungen wie diese Koproduktion mit dem Maggio Musicale Fiorentino zu schärfen. Und wenn’s so gut gemacht ist, wie dieser Doppelabend, dann findet derlei auch sein Publikum.

Wieder am 13. und 18. Juli im Festspielhaus Erl, Restkarten unter tiroler-festspiele.at

Florian Boesch als Blaubart.
Florian Boesch als Blaubart.
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