Radikal jung: Wilde Stiere und Engelsgesang
München - Schon schön, dass so ein Festival wie Radikal jung alle Jahre stattfindet, sich als Konstante im Theaterbetrieb etabliert hat, wichtig ist für diese Stadt. Gleichzeitig ist alles in Bewegung: Vom „dialektischen Festival“ spricht der nie um Schlagworte verlegene Kulturreferent Hans-Georg Küppers bei der Pressekonferenz. Zwischen „Tradition und Innovation“ sieht er das Festival junger Regisseure, das zum zwölften Mal, vom 22. bis 30. April, im Volkstheater stattfinden wird.
So bleibt einiges beruhigend beim Alten, zum Beispiel die Jury um Festivalleiter Kilian Engels. Gemeinsam mit Schauspielerin Annette Paulmann und Publizist C. Bernd Sucher hat Engels dieses Mal zehn Produktionen ausgesucht, davon drei internationale: aus Frankreich, Portugal und Belgien. Zuschauer, die eigentlich keine Lust auf Fremdsprachiges mit deutschen Untertitel haben, sollten sich der Herausforderung stellen: Wenn etwa Tiago Rodrigues aus Lissabon in „António e Cleópatra“ (28.4.) personell reduziert einen Mann und eine Frau aufeinander treffen lässt, um Shakespeares Tragödie taufrisch zu erzählen. Oder wenn Mathieu Létuvé sich selbst in Szene setzt, in einer französisch-musikalisch-tänzerischen Verarbeitung der Biografie von Jake LaMotta, jenem Boxer, den schon Robert De Niro verkörperte: „Raging Bull“ fightet am 27. April im Volkstheater.
Radikal jung öffnet am 22. April mit „Flimmerskotom“
Der Blick über den Tellerrand, das ist man gewohnt von Radikal jung, genauso, dass es nicht gerade viele bekannte Titel gibt. Allein schon die Eröffnung (Freitag, 22.4.), nennt sich „Flimmerskotom“, womit eine Augenstörung gemeint ist. Die Ohren werden dabei auch gefordert sein: Ein dreiköpfiges Regie-Team hat sich mit dem Hören und Sehen im Theater beschäftigt – die Technik mitsamt Scheinwerfern darf also endlich mal in den Vordergrund rücken.
Womit man bei den Innovationen ist, beim Beschreiten neuer ästhetischer Wege, beim Arbeiten in Kollektiven. Kulturreferent Küppers entdeckt darin Parallelen zu dem, was gerade an den Kammerspielen passiert: Die Grenzen zwischen Stadttheater und freier Szene weichen auf, was auch zur Angst beim Publikum führen kann. Berechtigt? Küppers wünscht sich dazu Diskussionen. Inflationär allein, wie Kilian Engels das Wort „ohne“ benutzt: „Flimmerskotom“ kommt ohne Menschen aus, „J.U.D.I.T.H“ von Marja Christians und Isabel Schwenk ohne Männer. Stattdessen nehmen die beiden Performerinnen das Hebbelsche Stück mit feministischem Blick auseinander (26.–29. 4.). Und Ersan Mondtag, zum dritten Mal eingeladen, lässt seine Darsteller sprachlos, wenn sie in „Tyrannis“ den ritualisierten Alltag einer Familie vorspielen (24. 4.).
Zum Abschluss dann ein "Schönheitsabend"
Geredet wird woanders, bei den Publikumsgesprächen, in David Foersters Inszenierung von Strindbergs „Fräulein Julie“ (23., 24. 4.) oder beim vierstündigen „Regie 2“, womit die inklusive Truppe Monster Truck ihr umstrittenes „Regie“-Projekt fortsetzt. Als Eigenproduktion ist die „Katzelmacher“-Inszenierung von Hausregisseur Abdullah Kenan Karaca zu sehen (25.4.). Zum Abschluss veranstalten Florentina Holzinger und Vincent Riebeek einen „Schönheitsabend“. Beide kennt man womöglich von „Kein Applaus für Scheiße“, eine Performance, die im Dezember in der Kammer 3 gastierte. Man darf hoffen, dass es doch Applaus gibt, auch bei der Eröffnung: Nach „Flimmerskotom“ lädt die Band Karaoke Bash die Zuschauer zum Singen ein. Ob er selbst ein Liedchen zum Besten gibt, dazu gibt sich Kilian Engels leider bedeckt. Dabei verspricht doch sein Festival große Wagnisse und Glückserlebnisse. Also: keine Angst!
Programm: www.muenchner-volkstheater.de, Tel. 523 46 55.
Vorverkauf hat begonnen
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