Pola Jane O’Mara spielt im „Baumeister Solness“
Auf der Webseite des Volkstheaters findet sich wie für alle Ensemblemitglieder ein Profil von Pola Jane O’Mara. Es umfasst ein paar Bilder sowie ein launiges Frage-und-Antwort-Spiel. Die Frage nach der „wichtigsten Eigenschaft eines Schauspielers“ retourniert sie kurz und bündig mit: „Zuhören“.
Aha, denkt man sich, das klingt bescheiden und entgegenkommend, während dieser Name eher nach Glamour klingt, ein wenig nach Scarlett O’Hara aus „Vom Winde verweht“, nach weiter Welt. Oder mindestens Irland. Aber Pola Jane O’Mara wurde in München geboren, ist Tochter eines Australiers mit irischen Vorfahren, der in München als Musiker arbeitet, während die Mutter Lehrerin für Altenpflege ist. Klingt erdverbundener, und zum „Zuhören“ meint sie: „Wenn man von sich aus versucht etwas herzustellen, dann kann das sehr schwer sein. Wenn ich jedoch dem anderen ehrlich zuhöre und mich dazu verhalte, mich davon treffen lasse, dann entsteht etwas von alleine.“
Das Lauschen
Seit dieser Spielzeit ist die 25-Jährige im Ensemble des Volkstheaters. Ihren Gehörsinn konnte sie dabei ein paar Mal verstärkt einsetzen, besonders als Blinde in Lilja Rupprechts Inszenierung von Deha Lohers „Unschuld“. Blind spielen – das funktioniert am besten, so fand O‘Mara heraus, wenn sie den Blick nach innen fallen und ihren Kopf von den Ohren leiten lässt, wobei sie abrupt die Körperdistanz zum Sprechenden überwindet, allzu nah kommt: eine leicht aufdringliche Lauscherin.
In Christian Stückls Inszenierung von Ibsens „Baumeister Solness“ hat Pola Jane O’Mara nun eine Schlüsselrolle bekommen, bei der das Zuhören erneut elementar ist. Als Hilde Wangel taucht sie überraschend bei dem gealterten Solness auf und fordert die Einlösung eines Versprechens ein, das Solness ihr vor zehn Jahren machte. Ein Königreich werde er ihr schenken, versicherte Solness einst, und was wohl eine Spinnerei war, nimmt das Mädchen, gereift zur jungen Frau, weiter ernst.
Weil Hilde auf ihr Märchenkönigreich beharrt, aber nicht nur deswegen, gerät Solness’ Leben durcheinander. Zunehmend öffnet er sich ihr, zeigt seine Wunden her, weil sie ihm ihre Aufmerksamkeit schenkt. zuhört. Fast systematisch arbeitet Hilde mit ihm die Vergangenheit durch, ähnlich einer Therapeutin: „Ja, dieses Gefühl hatte ich anfangs auch“, erzählt O‘Mara. „Solness erzählt ausschweifende Geschichten und Hilde fragt nach. Aber je mehr wir geprobt haben, desto mehr ging es darum, was unter diesen Fragen, unter dem Text liegt.“
Auf der Suche nach den Zwischentönen
Vier Wochen lang ließ Regisseur Christian Stückl seine Darsteller das Stück am Tisch lesen, um die Zwischentöne des Dramas zu erfassen. Erst dann ging es auf die Bühne. Womöglich ist Hilde in den Solness verliebt und möchte ihm bei seinen Problemen behilflich sein. Womöglich geschahen damals, als der Baumeister sein Versprechen gab, noch andere Dinge und sie hegt eher dunkle Absichten. Ibsen liest sich oft wie ein psychologischer Krimi, der Plot beim „Solness“ hat zudem etwas von einem Western: Eine Fremde taucht in der Stadt auf, erzeugt Unruhe, verfolgt ihre ganz eigene Agenda.
In welche Richtung Stückls Inszenierung geht, will Pola Jane O’Mara nicht verraten. Eine Art heimliche Hauptrolle spielt sie, „manche sagen auch, dass Hilde das Alter Ego von Solness ist.“ So ist sie sehr präsent, selbst dann, wenn Solness, den Volkstheater-Heimkehrer Maximilian Brückner spielt, nicht auf der Bühne ist.
Andere aus seinem Umfeld, seine frustrierte Ehefrau etwa, geben ihr Einblicke in die innere Konstruktion des Baumeisterlebens. „Bevor ich erscheine, haben Herr und Frau Solness sich ein Leben aus Geschichten gebastelt. Das kennen wir alle: Man erzählt sich selbst, so und so ist es gewesen, deswegen bin ich so geworden wie ich bin und kann nichts dafür. So muss man sich mit der Realität nicht auseinandersetzen. Hilde aber piekst in dieses Lügengestell hinein.“
Der Körper leitet
Ganz Ohr ist diese Hilde, gespannt, auch äußerlich. Wenn sie an solche Rollen herangeht, so O’Mara, dann lässt sie sich gerne von ihrem Körper leiten, wie der auf den Text reagiert. Das mag auch mit ihrer Schauspielausbildung an der Folkwang Universität in Bochum zusammenhängen. „Wir hatten wenig Theorie, dafür viel Bewegungsarbeit: Feldenkrais, Körperbewusstseinsübungen, Tanztheater. Mir gefiel dieser Ansatz sehr: dass man nicht so sehr über den Kopf, sondern über den Körper geht.“
Schon als Kind verkleidete sie sich gern, spielte im Schultheater Rollen von Schneewittchen bis Ronja Räubertochter. Als Teenager machte sie bei den Jugendclubs des Volkstheaters und der Kammerspiele mit, war Statistin am Residenztheater. Nach ihrem Abschluss hat sie jetzt am Volkstheater ihr erstes festes Engagement und wirkt glaubhaft zufrieden. Christian Stückl bezeichnet sie als „angenehm bodenständig“.
So ein Intendant ist ja auch eine Art Baumeister, das Volkstheater sein Konstrukt, immer wieder belebt durch ein junges Team, guten Zuhörern und Spielern, wie Pola.
Volkstheater, 31. März, 19.30 Uhr, Evtl. Restkarten, Abendkasse