Placido Domingo in Verdis "I due Foscari"

Verdis Oper "I due Foscari" konzertant im Großen Festspielhaus
von  Michael Bastian Weiß
Placido Domingo im Großen Festspielhaus.
Placido Domingo im Großen Festspielhaus. © Marco Borelli

Verdis Oper "I due Foscari" konzertant im Großen Festspielhaus

SALZBURG - Als Plácido Domingo die Bühne des Großen Festspielhauses in Salzburg betritt, ist die Spannung mit Händen zu greifen. Wie ist der 76-Jährige zu Fuß? Und: Kann er überhaupt noch singen? Schließlich hat er, auf den Tag genau, vor 42 Jahren bei den Festspielen debütiert. Nun, Domingo schreitet entschlossen, und es ist schlicht sensationell zu nennen, wie viel Leidenschaft, Farbe und Material er sich in seinem Organ bewahren konnte. Die Erwartungen entladen sich in einem tosenden Applaus gleich nach Domingos erster Szene.

Innerhalb dieser konzertanten Aufführung einer der stillsten Opern von Giuseppe Verdi, „I due Foscari“, ist der spanische Sänger der unangefochtene Mittelpunkt. Das liegt auch daran, dass die Rolle des venezianischen Dogen Francesco Foscari sinnfällig seine eigene Stellung im Opernbetrieb spiegelt: Dieser „ergraute Krieger“ will nicht zum Abtreten gezwungen werden und widersetzt sich diesem unverschämten Ansinnen grandios. Eben diese Situation schwingt in der Aufführung mit, wenn Domingo mimisch, höhnisch wissend, das Verdikt der Obrigkeit, endlich abzudanken, aufnimmt; vor allem aber dann, wenn er seine Finalszene mit atemberaubender gestalterischer Intensität zu einem Bild existentieller Verzweiflung gestaltet – wohlgemerkt so gut wie im Vollbesitz seiner stimmlichen Kräfte.

Lesen Sie auch unsere Kritik zu Verdis "Aida" im Großen Festspielhaus

Die übrigen Sänger machen es ihm aber auch allzu leicht, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Zwar gibt Domingo eine Baritonpartie, doch sein Timbre ist immer noch eindeutig tenoral, wodurch sich beide männliche Hauptfiguren im selben Fach bewegen. Joseph Calleja als Jacopo Foscari kommt ihm aber schon deshalb nicht in die Quere, weil er auf jede dramatische Schärfung verzichtet und mit seinem flächigen, in der Höhe makellosen Tenor die Arien so leidenschaftslos vorträgt, als wolle er die einzelnen Töne diktieren. Ähnlich gebremst geht die Sopranistin Guanqun Yu die eigentlich kämpferische Lucrezia an, sie kann keine emotionalen Höhepunkte setzen. Aus der kleinen Partie des Loredano holt Roberto Tagliavini das Mögliche heraus.

Dass die Aufführung keinen rechten Effekt erzeugen will, liegt auch an der blassen Leitung Michele Mariottis. Es ist zu loben, wie skrupulös der Italiener die leisen Passagen modelliert, doch an den zupackenden Stellen geht ihm nicht nur jedes Draufgängertum ab, sondern er agiert durchgehend brav. Das Mozarteumorchester Salzburg spielt sauber, doch neutral, erreicht keine Präsenz, ebenso, wie der tüchtige Philharmonia-Chor Wien kaum eindrucksvolle Akzente setzen kann.

Spannungsverluste erzeugen auch die Pausen, die Mariotti sich zwischen den Nummern genehmigt. „I due Foscari“ ist ein konzentriertes Stück, das man in einem großen Zug realisieren könnte, doch man vermisst zündende Entwicklungen. Die stehenden Ovationen zum Schluss gebühren Domingo, dem Kraftzentrum dieser Aufführung.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.