Pauline Fusban über Liesl Karlstadt

Pauline Fusban spielt die junge Liesl Karlstadt im Stadtraumprojekt „Playing :: Karlstadt“ vom Künstlerkollektiv „Raum+Zeit“
von  Michael Stadler
Pauline Fusban spielt die junge Liesl Karlstadt.
Pauline Fusban spielt die junge Liesl Karlstadt. © Konrad Fersterer

Vor über vier Jahren schickte das Künstlerkollektiv „Raum+Zeit“, bestehend aus dem Regisseur Bernhard Mikeska, dem Autoren Lothar Kittstein und der Dramaturgin Alexandra Althoff, einzelne Zuschauer in die Katakomben des Cuvilliéstheater, wo man mit vier Schauspielern in Eins-zu-Eins-Situationen konfrontiert wurde.

Dabei verschränkte sich in „Eurydice :: Noir Désir“ der Orpheus-Mythos mit der wahren Geschichte von Marie Trintignant, die von ihrem Freund, dem Sänger Bertrand Cantat, aus Eifersucht verprügelt wurde und später an den Folgen starb. Nun hat das Trio ein neues Stadtraum-Projekt erarbeitet: In „Playing :: Karlstadt“ beschäftigen sie sich mit Liesl Karlstadt, die mit Karl Valentin eine produktive wie schwierige Beziehung verband.

1935 wollte sie sich in der Isar das Leben nehmen. Basierend auf dieser Geschichte können einzelne Teilnehmer eine szenische Installation erleben, Ausgangspunkt ist das Hotel Kraft in der Schillerstraße. Im Laufe eines Parcours bekommt man es mit vier Schauspielern zu tun, vis-à-vis, in intimen Spielsituationen. Was eine Herausforderung ist, für alle Beteiligten. Pauline Fusban spielt die junge Liesl Karlstadt.

AZ: Frau Fusban, wenn Sie im Residenztheater spielen, inwiefern bekommen Sie das Publikum mit?
PAULINE FUSBAN: Es ist erstaunlich, wieviel man mitbekommt. Ins Residenztheater passen 880 Menschen, zusammen bilden sie eine große Masse. Aber man merkt, welche Ecken aufmerksam sind, welche sich distanzieren. Klar, im schlimmsten Fall hat jemand sein Handy an, das sieht man sofort. Aber ob die Leute dran sind, ob eine Konzentration im Raum ist – auch das ist sofort spürbar.

Bei „Playing :: Karlsstadt“ verengt sich nun der Raum auf Eins-zu-Eins-Situationen mit einzelnen Zuschauern. Wie haben Sie sich mit der Regie darauf vorbereitet?
Zunächst haben wir lange den Text von Lothar Kittstein gelesen. Dann habe ich vor allem mit Bernhard Mikeska alleine gearbeitet. Er war bei den Proben quasi mein erster Zuschauer. Nach einer Woche erweiterten wir den Kreis mit Kollegen aus dem Team. Erst dabei merkte ich, wie unterschiedlich die Szene wird, je nachdem, wer in den Raum kommt. Mich hat auch die körperliche Anstrengung überrascht: Ich bewege mich vergleichsweise wenig, aber es fühlt sich an, als würde ich mit jedem Zuschauer einmal um die ganze Welt segeln. Jeder von uns wird pro Aufführungstag vor zwanzig Zuschauern spielen. In den Proben kamen einmal vierzehn, und am nächsten Tag war ich so fertig, wie ich es von zehn Stunden Kellnern kenne.

Müssen Sie nicht Ängste überwinden, wenn Sie dem Zuschauer so nahe sind?
Es ist eher so, dass ich jede Aufregung mitnehme. Die Leute lachen, gucken weg oder reden ganz viel. Manche fangen auch an, zu schwitzen. Diese Reaktionen leuchten mir auch ein: Die Zuschauer haben nichts zum Festhalten. Bei diesem Projekt müssen sie aber erstmal eruieren, welche Rolle sie überhaupt spielen. Man bekommt Einblicke in ein Leben, was dazu anregt, über eigene Ängste und Wünsche nachzudenken. Wenn man jemandem begegnet, begegnet man ein Stück weit sich selbst und seiner eigenen Angst.

Liesl Karlstadt musste sich auch in eine Rolle hineinfinden: als Partnerin von Karl Valentin. Sie spielen sie, als sie noch Elisabeth Wellano hieß. Was haben Sie über diese Frau herausgefunden?
Liesl Karlstadt war immer jemand, zu dem ich aufgeschaut habe. Ich fand es toll, mit was für einem Humor und einer Selbstverständlichkeit sie in solchen Hosenrollen auftrat. Ich bin selbst in München geboren und in Schwabing aufgewachsen, habe zufälligerweise ganz in der Nähe von ihrem Elternhaus gewohnt. Sie kam aus einer sehr armen Familie, sie haben lange zu siebt in einem kleinen Zimmer gelebt. Elisabeth wollte dann zuerst Lehrerin werden, was aber nicht möglich war, weil die Familie zu wenig Geld hatte. Dann hat sie bei Hermann Tietz, also in dessen Kaufhaus Hertie gearbeitet, aber diese Arbeit hat sie nicht befriedigt. Sie wurde Soubrette und verdiente damit wesentlich mehr Geld.

Karl Valentin hat sie dann entdeckt. Wie sehen Sie die Beziehung der beiden?
Karl Valentin muss wirklich ein unverschämter, auch unheimlicher Mensch gewesen sein. Es ist überliefert, dass er ihr bei der ersten Begegnung sagte, dass das Singen und Tanzen ihr doch gar nicht liege. „Sie müssen sich aufs Komische verlegen.“ Damals war er schon ein erfolgreicher Kabarettist, sie war gerade mal 18, 19 Jahre alt. Die Arbeit mit ihm muss dann sehr anstrengend gewesen sein. Er war voller Ängste, neurotisch, konnte gar nicht ohne sie auftreten. Sie hat ihm später auch viel Geld geliehen, für das Panoptikum, das nach kurzer Zeit Pleite ging, womit auch ihr Geld weg war. Und er hatte eine Ehefrau, mit der aber kaum öffentlich auftrat. Das führte zu Gerüchten, dass er mit Liesl zusammen war. Während Valentin sie nicht richtig als seine Partnerin annahm, reagierte er eifersüchtig, wenn sie irgendwer auch nur anschaute.

Das sind alles wohl Gründe dafür, weshalb sie in die Isar ging.
Eine Kette von Ereignissen führte dazu, ein Grund allein wird nicht ausschlaggebend gewesen sein. Sie hat sich jedenfalls mit ihrer Katze in die Isar gestürzt. Die Katze ist gestorben, sie landete im Krankenhaus. Nach ihrer Entlassung sollte sie bei diesem Sketch „Der Nervenarzt“ mitspielen. In dem hat Valentin den Nervenkranken gespielt und sie den Arzt. Nachdem sie selbst ein Jahr in der Klinik gewesen war!

Sie muss in der Zusammenarbeit mit Valentin aber auch eine Chance gesehen haben.
Natürlich, sie hatte Lust auf Abenteuer, wusste aber auch, was für eine Gefahr darin liegt. Ich glaube, ihr Leben war schon geprägt davon, ihren eigenen Weg gehen zu wollen, aber sie ging ihn mit einem Menschen, der sie extrem eingeengt hat. Es war ein schmaler Grat. Sie suchte nach einer eigenen Sprache, nach Freiheit. In meiner Szene steckt auch dieser Wunsch nach Anerkennung, nach einem Ort, wo man sein darf, wie man ist, wo man wirklich gesehen wird.

Beschreibt das auch Ihre Motivation, Schauspielerin zu werden?
Der Wunsch, gesehen zu werden? Es wäre wohl komisch, wenn es nicht so wäre. Aber meine Hauptmotivation liegt woanders. Ich wollte zunächst Fotografin werden und bin nach Südafrika, wo ich bei einer Fotografin Assistentin wurde. Irgendwann merkte ich jedoch, dass mich dieses Gerät zwischen mir und den aufgenommenen Personen störte. Ich merkte, dass ich am meisten aus direkten Begegnungen lerne. Ich möchte ran an die Menschen. Dafür hätte ich vielleicht auch Sozialpädagogin werden können, aber dazu kam bei mir dieser gewisse Druck auf der Brust, dass ich etwas erzählen möchte. Insofern ist dieser Beruf für mich ideal. Ich finde toll, dass ich im Spiel Menschen begegnen kann, zwar in Rollen, aber schon auch ihnen selbst. Egal, was man spielt – man spielt miteinander.

Premiere am Samstag, 17.36 Uhr, Treffpunkt Hotel Kraft, Schillerstr. 49, Einlass für je einen Zuschauer alle 12 Minuten. Die ersten Vorstellungen sind ausverkauft, Anmeldung für die weiteren im Juni ist erforderlich. Ergänzend ist ein 360-Grad-Kurzfilm mit den vier Darstellern entstanden. Mit einer VR-Brille ausgestattet wandelt der Zuschauer auf Liesl Karlstadts Spuren durch die Ludwigsvorstadt. Ab 7. Mai, Mo bis Sa, 10 bis 19 Uhr, Tageskasse am Marstallplatz 5, keine Anmeldung erforderlich

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