Kritik

Operation am offenen Gehirn: Django Asül und sein Jahresrückblick

Der niederbayerische Kabarettist blickt im Lustspielhaus zum 16. Mal in seinen Rückspiegel
Michael Stadler |
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Django Asül.
Django Asül. © Sigi Müller

Wenn man einen der Helden des Jahres 2025 ausfindig machen möchte, dann steht er eigentlich eh schon auf der Bühne des Lustspielhauses: Django Asül, frisch gebackener Träger des Bayerischen Verfassungsordens und leidensfähiger Kabarettist, der sich erneut nicht scheut, dass allmählich in die Zielgerade gehende Jahr Revue passieren zu lassen.

Zum 16. Mal schaut Asül in den „Rückspiegel“ - die Autometaphorik lässt kurz an Dieter Hildebrandts Sendung „Scheibenwischer“ denken. Dank des Hin und Hers eines Scheibenwischers bekommt man hoffentlich einen besseren Durchblick aufs Heute. Asül schaut hingegen in den Rückspiegel, was von einer gewissen Distanz zum Gestern spricht. Aber Obacht, was hinter einem ist, kann einen ja jederzeit wieder überholen…

Die Geschichte von dem 12-jährigen Mädchen, das von seiner Chirurgen-Mutter in eine Grazer Klinik mitgenommen wurde, wo die Kleine dann kurz mal im Schädel eines Notfall-Patienten mitbohren durfte, nimmt Asül erneut auf, weil 2025 der Prozess stattfand. Die Aussage des mitangeklagten Chirurgen, der nicht einschritt - „Ich wollte keine Diskussion führen, sondern operieren“ -, muss Asül nur zitieren, um Gelächter zu erzeugen.

Die Ereignisse bedürfen eigentlich kaum der Bearbeitung, weil sie haarsträubend genug waren. Aber Asül findet immer wieder zu überraschenden Einsichten und pointenreichen Assoziationsketten.

„Und wo bestellt die Bundeswehr?!“

So kommt er von einem Kanzler, dessen Messlatte bereits während der Bundestagswahl so sank, dass aus dem „Rambo-Merz“ ein „Limbo-Fritz“ wurde, zu Boris Pistorius und der Idee eines Losverfahrens für die Wehrpflicht hin zur Frage, wie die Armee bewaffnet wird. Vorbild könnte Fußballer Karim Adeyemi sein, der zu einer Strafe von 450 000 Euro verdonnert wurde, weil er sich einen Schlagring und einen Taser besorgt hatte. Über TikTok waren die Waffen sofort bei ihm: „Und wo bestellt die Bundeswehr?!“

Gefährlich wird es, wenn man alles nüchtern betrachtet: Django Asül.
Gefährlich wird es, wenn man alles nüchtern betrachtet: Django Asül. © mediaPool, Manfred Huber

Immer wieder übt Asül sich in der Kunst des (ironischen) positiven Denkens. Die RTL-Show „Temptation Island“ betrachtet er etwa als „soziologisches Projekt“. Jeder bekommt sein Fett weg, bevorzugt die Deutsche Bahn und die Grünen, aber auch Jens Spahn, den Asül bereits im Remake des Edgar-Wallace-Klassikers „Der Frosch mit der Maske“ sieht, und, apropos Fett, die übergewichtigen Deutschen, die im europäischen Vergleich mit am häufigsten zum Arzt gehen, aber auch die geringste Lebenserwartung haben. Also: Wäre weniger nicht mehr? Wäre es nicht super, wenn man die Anzahl der Bahnhöfe in Deutschland reduzierte, weil dadurch die Verbrechensrate an Bahnhöfen sinken würde?

Django Asül verträgt einiges, sogar das ganze letzte Jahr

Mit bestechender Logik unternimmt Asül einige Tiefenbohrungen in die Hirne und Herzen der Menschen 2025, ja, das Comeback des Jahres hatte Angela Merkel, die mit ihrem Buch durch Deutschland tourte und nur „richtige Fehler“ gemacht haben will. Da kann ihr Nachfolger Merz nur neidisch sein: Warum werden seine Fehler nicht bejubelt?

Nimmt ganz vorne Platz und erklärt uns Deutschland: Django Asül.
Nimmt ganz vorne Platz und erklärt uns Deutschland: Django Asül. © mediaPool, Manfred Huber

Ohne Fehl, aber mit herzhaftem Tadel bewegt Asül sich bei seiner Fahrt vorwärts, selbst Alkohol am Steuer trübt seinen Blick in den Rückspiegel nicht. Ob er da echtes Weißbier auf der Bühne trinke, wollte eine Zuschauerin mal von ihm wissen. Was für eine Frage! Django Asül verträgt einiges, sogar das ganze letzte Jahr. Am Ende ist das Publikum gesättigt mit heiteren Erinnerungen ans verglühende 2025, regelrecht trunken vor Freude.

Lustspielhaus, 25.12., 14 Uhr; 26.12., 14 und 20 Uhr; 31.12. (ausverkauft), 5.1., 20 Uhr; Tel. 34 49 74; Deutsches Theater, 29.12., 20 Uhr, Karten unter Telefon 55 234 444

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