Oper "Rote Laterne" im Prinzregententheater: Alle gegen eine Frau

München - Eine Botschaft nimmt der Mann aus Christian Josts Oper "Rote Laterne" im Prinzregententheater auf jeden Fall mit: Mit vier Frauen hat man viermal so viel Ärger wie mit einer. Und das ist eher das Minimum, weil Dienstboten und missratene Kinder womöglich für weitere Scherereien sorgen.
Der Zuschauer muss sich an die pantomimische Verständlichkeit der Geschichte halten
Und dann gibt es da noch eine zweite Lehre: Auch wer früher dachte, Übertitel seien mehr was für Anfänger, vermisst sie, wenn sie, wie in dieser Aufführung der Theaterakademie August Everding, leider doch fehlen.
Denn der Komponist hat es bei seiner 2015 in Zürich uraufgeführten Oper mit der Textverständlichkeit nicht übertrieben, weil die Melodik oft gegen die Sprache komponiert scheint. Über das eine oder andere Textfragment hinaus muss sich der Zuschauer an die pantomimische Verständlichkeit der Geschichte halten, und die ist in der Inszenierung von Balasz Kovalik trotz einiger Verfremdungen gegeben.
Josts Oper spielt - angelehnt an den gleichnamigen Film von Zhang Yimou - in einem reichen chinesischen Haushalt der 1920er Jahre, wo vier Frauen und eine Magd gegeneinander intrigieren und sich im übertragenen wie tatsächlichen Sinn bis aufs Blut bekämpfen. Die Musik vermeidet jeden exotischen Anklang, die Regie spielt vorsichtig damit, weil Jihoon Son, der Sänger des Sohnes, aus Korea stammt. Warum er gleichzeitig auch als ältere Frau agiert, erschließt sich leider nicht.
Vieles bleibt in einer Schwebe
Kovaliks Inszenierung spielt mit stilisierten, langsamen Bewegungen auf eine surreale Traum-Logik an. Anderes, wie das Opfer-Ritual am Anfang und Ende, lässt sich als Anspielung auf asiatische Bühnenformen verstehen, auf denen auch der Mittelsteg des labyrinthischen Bühnenbildes von Angelika Höckner basieren könnte. Das alles bleibt in einer Schwebe, die im Theater immer etwas schwierig ist und bisweilen das Unklare streift.
Bedrohliche Atmosphäre dank des fast ständig präsenten Schlagzeugs
Die Gesangspartien von Josts Oper sind wohl eine Dosis zu dramatisch für die Studierenden der Opernklasse der Hochschule für Musik und Theater. Daria Kalinina gestaltet die Zerbrechlichkeit und Zerrissenheit der Hauptfigur trotzdem eindringlich. Camilla Saba Davies meistert das Schillernde der Koloraturpartie der dritten Herrin, einer ehemaligen Sängerin.
Die anderen Frauen (Fee Suzanne de Ruiter und Nadia Steinhardt) und der Ehemann (Stefan Jovanovic) bleiben Nebenfiguren. Die beiden Kinder hat der Regisseur mit Männern (Tim Morsbach, Raphael Binder) besetzt, um ihre naive Bosheit ins Dämonische zu verzerren.
Und wie ist Josts Musik? Das fast ständig präsente Schlagzeug sorgt für eine bedrohliche Atmosphäre. Die Melodik kreist öfter in sich, was an komplexere Formen des amerikanischen Minimalismus erinnert. Haften bleibt von der Harfe und einem Vibrafon begleitetes Arioso der Hauptfigur.
Es ist eine eher kalte Musik, die gut zur zeremoniellen Höflichkeit der Figuren passt. Hätte das Wort Filmmusik keinen herabsetzenden Beigeschmack, könnte es durchaus weiterhelfen. Dass es sich um Musik eines deutschen Komponisten handelt, darauf würde man kaum wetten. Und das könnte durchaus als Kompliment verstanden werden. Jost versucht, jenseits der üblichen Avantgarde-Klischees zu komponieren, und das verdient Respekt.
Noch einmal am Dienstag (19.30 Uhr) im Prinzregententheater. Karten von 10 bis 39 Euro unter theaterakademie.de und an der Abendkasse ab einer Stunde vor Beginn