Offenbachs Frechheit und spitze Zunge
Man kann sich Jacques Offenbachs Operetten vorstellen wie wendige Beiboote, die um die schweren Tanker der Grand Opéra frech herumfahren. Natürlich können diese Stücke auch mit großen Stimmen und philharmonischem Orchester realisiert werden, doch dann geht ihre Subversivität verloren.
So ist die Buffo-Oper „La Belle Hélène“ wie geschaffen für die Pasinger Fabrik mit ihrem intimen Raum, in dem man auch die Mimik der Sänger sieht und in dem wenige Requisiten und nicht einmal ein Dutzend Instrumentalisten ausreichen, heutiges Musiktheater zu machen.
Für die Ankunft des Ehebrechers Paris im höfischen Seebad genügt ein angedeutetes Ruder, um den köstlich spielenden und tenoral herrlich leicht singenden Andreas Stauber auf eine imaginäre Gondel zu hieven. Ein paar einfache Säulen symbolisieren Sparta (Bühnenbild und Kostüme: Claudia Weinhart), ein breites, doch nie genutztes Ehebett erzählt wortlos die ganze Geschichte Helenas und ihres ungeliebten Mannes Menelas, den Robert Gregor Kühn – ähnlich wie Paul Wiborny seinen Bruder Agamemnon – mindestens so stark deklamiert wie singt.
Viele Dialoge
Am Anfang fungiert Florian Drexels würdiger und eher mild ironischer Priester Kalchas auch als Figur, die in die Handlung einführt, leider jedoch viel zu wenig singen hat. Genau hier zeigt sich auch das einzige Problem dieser Produktion, das gleichermaßen in der Textfassung wie in der Regie Marcus Everdings liegt. Die Anteile des gesprochenen Textes sind gegenüber der Musik schlicht zu lang und auch zu schwerfällig inszeniert, etwa der Wettbewerb des ersten Aktes, auch die Einleitung in die Liebesszene des zweiten. Everding aktualisiert das Stück, schleppt aber immer noch ein Zuviel eines an sich ehrenwerten Bildungskanons mit.
Würde man die Dialoge großzügig zusammenstreichen, könnte die Inszenierung an Tempo und auch an Frechheit gewinnen – und damit jener Spitzzüngigkeit, die Carlos Dominguez-Nieto am Pult des Ensembles mit angenehmer Nonchalance hervorruft.
Eine gute Idee war es, den Achill unüblicherweise als Hosenrolle zu besetzen, was die spartanische Heldenriege auflockert, zumal Maria Helgath ihn so schön singt wie präzise komödiantisch darstellt. Gleichzeitig ergibt sich eine stimmliche Korrespondenz zur Anstandsdame Bachis: Carolin Ritter dosiert deren Koketterie fein, sodass sie nicht peinlich wird, und liefert sich ansonsten mit Helgath einen veritablen Wettstreit im genießerischen Operetten-Belcanto.
Das unmoralische Liebespaar schließlich, Andreas Stauber und die Niederländerin Deborah Berghuijs mit ihrer kräftigen Tiefe, auch latent divenhaften sängerischen Haltung als Helena, erklimmt gerade in der Liebesszene des Mittelaktes schon fast die Höhe der großen Oper. Im Ganzen bleibt an Eindrücken zurück, wie phantasievoll, manchmal trickreich, sämtliche Sänger mit den Schwierigkeiten des kleinen und trockenen Raumes zurecht kommen.
Die Produktion läuft bis zum 14. August in Pasing und vom 26. – 31. Juli auf Schloss Blutenburg
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