Nostalgische Reminiszenzen im Cuvilliéstheater: Händels "Giulio Cesare in Egitto"

Das freie Ensemble così facciamo spielt Georg Friedrich Händels "Giulio Cesare in Egitto" im Cuvilliéstheater.
von  Robert Braunmüller
Giulio Cesare (Lena Spohn) hängt mit anderen Gästen in Rick's Café herum.
Giulio Cesare (Lena Spohn) hängt mit anderen Gästen in Rick's Café herum. © così facciamo

München - Im Orchestergraben fehlt das Horn. Man bräuchte es aber als Solo-Instrument in der Arie "Va tacito e nascosto". Was tun? Christopher Robson bläst einfach die Backen auf und imitiert ein Horn, bis der übervorsichtige Saxofonist bei der Wiederholung doch wagt, die Partie zu übernehmen.

Das ist sehr lustig. Später übernimmt das Saxofon sehr taktvoll die Stimme des Fagotts in einer Arie der Cleopatra. Sonst aber spielt das Ensemble così facciamo ganz brav Georg Friedrich Händels Noten im historisierenden Stil. Auch wenn emotionale Passagen ein wenig neutral bleiben, macht der zackige, rhythmisch scharfe und oboenbetonte Klang dieses von Hans Huyssen geleiteten Orchesters viel Spaß.

Ein Abend von heiter bis wolkig

Der Rest des Abends schwankt zwischen heiter und wolkig. Das liegt an Martina Vehs Inszenierung. Der Beginn von "Giulio Cesare in Egitto" ist so stark gekürzt, dass Erst-Seher kaum verstehen dürften, dass die Ägypter dem römischen Herrscher den Kopf seines Rivalen Pompeius präsentieren, was diesen wider Erwarten wenig erfreut. Übertitel trugen in der Premiere nicht zur Klärung bei: Sie waren leider unlesbar dunkel.

Bei Veh spielt die Geschichte in einem Franchise von Rick's Café aus "Casablanca". Es wird mit Pässen gehandelt, ein Pianist spielt Jazz und immer wieder dringen Kriegsgeräusche und schnarrende Radio-Reden herein. Die Regisseurin hat sich intensiv damit beschäftigt, Cocktails auftragen und mit einem Wischmopp den Boden fegen zu lassen. Bisweilen dominieren die Nebenfiguren derart, dass die Oper auch "Cornelia e Achilla in Egitto" heißen könnte.

Nikolaus Maier als Curio in "Giulio Cesare in Egitto".
Nikolaus Maier als Curio in "Giulio Cesare in Egitto". © così facciamo

Das schadet nicht, weil Joel Frederiksen die in Bühnenaufführungen der Oper selten zu hörenden Arien von Tolomeos Ratgeber mit einem schlanken Bass sehr ansprechend und kultiviert singt. Der Countertenor Joel Vulk trompetet als Tolomeo einige machtvolle Spitzentöne. Auch Eva Summerer (Cornelia) und der als Jungfaschist ausstaffierte Sesto (Franziska Weber) machen ihre Sache nicht schlecht.

Merkwürdig bleibt, dass die schönste Arie der Oper, Cleopatras "V'adoro pupille", nur kurz vom Orchester angespielt und durch einen Jazz-Standard ersetzt wurde, die als Sahnehäubchen die Aufführung zieren. Überhaupt wirkt die Regisseurin an den Hauptfiguren Cäsar und Cleopatra herzlich desinteressiert. Und so recht deutlich wird auch nicht, was sie in Rick's Café verschlagen hat.

Nostalgische Reminiszenz an Sellars' Regietheater-Klassiker

Es ist mittlerweile 34 Jahre her, dass Peter Sellars die Oper in Brüssel als Intervention eines US-Präsidenten in Nahost inszenierte. Der "Spiegel" fragte sich damals überrascht: "Handelt Händel von uns?". Vehs Inszenierung bietet bestenfalls eine nostalgische Reminiszenz an Sellars' Regietheater-Klassiker und dank Christopher Robson auch an die Münchner Händel-Ära mit dem Dinosaurier als Markenzeichen.

An der Stelle mit dem Horn blitzen aber Möglichkeiten einer respektlosen Komik im Umgang mit Musik auf, die einer freien Produktion besser anstünde als die müde Routine eines Stadttheaters.


Cuvilliéstheater, wieder am 3. und 4. Juni, 20 Uhr. Karten von 27 bis 107 Euro bei Münchenticket und an der Abendkasse

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