Niemand will die Bretterbude in Riem

Verbrannte Erde im Fernen Osten: Die Konzertveranstalter sind wenig begeistert von den Plänen der Stadt, die Philharmonie während der Zeit des Gasteig-Umbaus nach Riem zu verlegen
Robert Braunmüller |
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Ein provisorisches Opernhaus für über 1100 Zuschauer: Die Opéra des Nations in Genf.
Samuel Rubio 3 Ein provisorisches Opernhaus für über 1100 Zuschauer: Die Opéra des Nations in Genf.
Die ungeliebte Freifläche an der Messe in Riem.
Google Maps 3 Die ungeliebte Freifläche an der Messe in Riem.
Ein provisorisches Opernhaus für über 1100 Zuschauer: Die Opéra des Nations in Genf.
Samuel Rubio 3 Ein provisorisches Opernhaus für über 1100 Zuschauer: Die Opéra des Nations in Genf.

"Komplett dagegen!“ oder „indiskutabel“ sind noch die freundlichsten Worte, die man von Münchner Konzertveranstaltern zu hören bekommt. Eine Sitzungsvorlage, die am 28. März bei einer Ausschusssitzung im Stadtrat diskutiert wird, favorisiert recht eindeutig die städtische Brache gegenüber dem Messeeingang in Riem als Standort einer Interims-Philharmonie für die Zeit der bevorstehenden Gasteig-Sanierung.

„Ich werde diesen Saal nicht nutzen“, sagt Andreas Schessl, Münchens größter privater Konzertveranstalter. „Riem ist dem Publikum zu weit draußen.“ Wer die Debatte um den staatlichen Neubau im Werksviertel verfolgt hat, weiß es: Viele Konzertbesucher finden schon den Ostbahnhof zu abgelegen.

Das findet auch Alexandra Schreyer von Bell’Arte. Sie ist sich mit Schessl in einem weiteren Punkt einig: Spitzenorchester wie die Wiener oder Berliner Philharmoniker werden nicht in einer Bretterbude gastieren. „Christian Thielemann und die Staatskapelle Dresden spielen dann halt lieber in der Elbphilharmonie.“

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Alle alternativen Standorte sind weggefallen: Die Post will die Paketposthalle an der Friedenheimer Straße selbst nutzen. Die von der Stadtkämmerei vorgeschlagene Kleine Olympiahalle eignet sich kaum für Konzerte. Gegen die Freifläche am Candidplatz gibt es Widerstand aus dem Baureferat und durch den Giesinger Bezirksausschuss, der sich gegen „Elitenprojekte“ in seinem Stadtteil verwahrt.

Ist die Gasteig-Sanierung nur ein Luxusproblem für ein paar Bildungsbürger? Die Verlegung der Philharmonie nach Riem wird auch Fans von Patricia Kaas, Paolo Conte oder Chick Corea treffen. Viele Pop- und Jazz-Musiker ziehen den Gasteig einem Auftritt in der Tonhalle vor. Die Befürchtung drängt sich auf: Fünf Jahre Riem werden die Konzertlandschaft Münchens bereinigen. Die beiden privaten Groß-Veranstalter für Klassik werden es überleben. Die restlichen verschwinden.

Ein Teil des Publikums wird schlicht zu Hause bleiben. Konzertbesuche sind nur ein kulturelles Freizeitvergnügen unter vielen. Nach fünf dürren Jahren wird es schwierig werden, die mutwillig verbrannte Erde neu zu bepflanzen. München hat mit dem Werksviertel dann einen Konzertsaal mehr: Das dürfte zu mehr Leerstand dort und im Gasteig führen.

Neue Räume, neue Erlebnisse?

Die beiden Groß-Orchester werden die Interimszeit lässiger wegstecken. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und die Münchner Philharmoniker sind von Kartenverkäufen weniger abhängig als private Veranstalter. Sie könnten auch in Münchens Kirchen spielen, im Müllerschen Volksbad oder in einer Traglufthalle. Warum nicht Konzerte als Abenteuer in unkonventioneller und zugleich erlebnisträchtiger Umgebung?

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Das Orchester der Stadt testet dergleichen seit längerem in den Club-Konzerten. Kleinere Formationen der Philharmoniker können auch mit Stadtteilkultur überwintern. Und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks hat vor der Eröffnung des neuen Saals im Werksviertel immer noch den Herkulessaal in der Hinterhand. Und es kann notfalls auch auf das restliche bayerische Sendegebiet ausweichen.

Warum nicht in den Apothekenhof?

Es ist nach wie vor nur schwer einzusehen, wieso die Stadt mit der Renovierung des Gasteig nicht wartet, bis der staatliche Neubau im Pfanni-Gelände hinter dem Ostbahnhof fertig ist. Das würde die Lage entschärfen. Und wenn schon unbedingt alles gleichzeitig passieren muss: Warum reden Staat und Stadt nicht miteinander? Wieso sind Orte wie der als Parkplatz genutzte Apothekenhof in der Residenz tabu? Ein temporärer Bau wäre dort durchaus möglich.

Und was spricht gegen den Randbereich der Theresienwiese – außer dass Kulturbürgermeister Josef Schmid gleichzeitig auch Wiesn-Bürgermeister ist und die Wirte die eigentlichen Machthaber der Stadt sind?

 

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