Interview

Yvonne, die Bedrohung am Königshof: Ein Gespräch mit Naffie Janha

Das Staatsschauspiel zeigt im Marstall "Yvonne, Prinzessin von Burgund" von Witold Gombrowicz
von  Anne Fritsch
Patrick Bimazubute (Kammerherr, von links), Valentino Dalle Mura (Prinz Philipp), Felicia Chin-Malenski (Kammerherr), Hanna Scheibe (Königin) und Simon Zagermann (König) mit Naffie Janha als Prinzessin Yvonne (vorne).
Patrick Bimazubute (Kammerherr, von links), Valentino Dalle Mura (Prinz Philipp), Felicia Chin-Malenski (Kammerherr), Hanna Scheibe (Königin) und Simon Zagermann (König) mit Naffie Janha als Prinzessin Yvonne (vorne).

Die Schauspielerin Naffie Janha ist neu im Ensemble des Residenztheaters. Nach einer kleineren Rolle in Thomas Bernhards "Minetti" spielt sie nun die Titelrolle in Witold Gombrowicz' 1935 verfasstem Stück "Yvonne, Prinzessin von Burgund". Im Interview erzählt sie von ihrem Start in München, von der Arbeit mit Theatergrößen wie Claus Peymann und Manfred Zapatka und der Herausforderung, eine Hauptfigur zu spielen, die fast das ganze Stück über schweigt.

AZ: Frau Janha, wie war Ihr Start hier in München?

NAFFIE JANHA: Im Sommer war ich zu den Vorproben von "Minetti" zum ersten Mal länger in München. Das Wetter war schön, ich war viel draußen an der Isar und im Englischen Garten, hatte einen guten Start. Wirklich hierher ziehen tue ich aber tatsächlich erst jetzt, kurz vor der Premiere. Ich habe lange keine Wohnung gefunden und bisher zur Untermiete gewohnt.

Bei "Minetti" haben Sie gleich mit zwei Theatergrößen gearbeitet, mit Claus Peymann als Regisseur und Manfred Zapatka als Hauptdarsteller. Wie ging es Ihnen in dieser Gesellschaft?

Das war eine besondere Erfahrung, weil ich vorher noch nie mit so einem alten Team gearbeitet habe. Claus Peymann war mir natürlich ein Begriff. Mein Großvater fand seine Inszenierungen toll und hat sie sich früher immer auf DVDs angeschaut.

Haben Sie da mitgeschaut?

Es war mir präsent und vielleicht habe ich auch mal mit reingeschaut. Ich war noch nicht in dem Alter, wo ich mich so für Theater interessiert habe. Aber es war spannend, den Menschen zu diesem Namen kennenzulernen. Ich habe Claus Peymann hier in der Schönen Aussicht zum ersten Mal getroffen, wir hatten ein wirklich nettes Gespräch - und ich habe mich natürlich gefreut, dass er mich besetzt hat.

Lebt Ihr Großvater noch?

Leider nein. Der hätte sich bestimmt wahnsinnig gefreut, wenn er das noch mitbekommen hätte.

In "Minetti" hat eigentlich nur eine Figur viel Text, nämlich die Hauptfigur. Sie spielen "das Mädchen", das Minetti vor allem zuhört, auf ihn reagiert. Wie ging es Ihnen mit dieser Rolle?

Das Mädchen betrachtet diesen Minetti in der Inszenierung lange und intensiv. Und da ich persönlich unfassbar beeindruckt war von Manfred Zapatkas Spiel, ist mir das total leicht gefallen.

Jetzt spielen Sie die Titelrolle in "Yvonne, Prinzessin von Burgund". Auch sie bleibt die meiste Zeit stumm, sagt im ganzen Stück nur zwei drei kurze Sätze. Wie nähern Sie sich so einer Figur?

Erstmal musste ich mich komplett davon verabschieden, auf das zu bauen, was der Text hergibt. Das sind alles Zuschreibungen von außen. Es gibt kaum Informationen über sie. Man weiß nicht, woher sie kommt oder wer sie ist. Wir haben in den Proben sogar diskutiert, ob überhaupt sicher ist, dass sie Yvonne heißt. Irgendwann taucht dieser Name auf, aber ob es wirklich ihrer ist, bleibt unklar.

Wo haben Sie Anhaltspunkte für Ihren Charakter gefunden?

Ich habe versucht, von dem auszugehen, was sie in den anderen auslöst. Die Figuren agieren aus einer Bedrängnis. An diesem Königshof stehen alle unter enormem Druck. Und das ist eigentlich das Spannendste an diesem Stück und der Figur: Obwohl Yvonne der Sündenbock ist und alle auf ihr rumhacken, ist sie eine Bedrohung für die anderen.

Yvonne macht kaum etwas, trotzdem reagieren alle sehr stark auf sie.

Sie ist die einzige, die sich nicht der Form beugt. Es gibt Rituale und Dinge, die ganz automatisch passieren. In einer Szene verbeugen sich zum Beispiel alle vor dem Königspaar. Alle außer Yvonne.

Macht sie das bewusst, um zu provozieren?

Provozieren würde ich nicht sagen, aber sie hält definitiv etwas dagegen. Das ist ein bisschen wie ein friedvoller und stiller Protest. Es ist eine bewusste Entscheidung. Sie kennt die Regeln und befolgt sie gezielt nicht. Sie kann sprechen, beschließt aber zu schweigen. Sie versteht genau, was am Hof vor sich geht, deshalb fühlen sich die anderen bedroht von ihr.

Ihr Schweigen bringt die Hofgesellschaft in Verlegenheit - und zum Reden.

Vor allem ihr Aussehen wird ständig kommentiert. Es wird gesagt, dass sie unansehnlich, hässlich ist. Die Hofdamen haben sich angeblich beschwert, weil der Prinz sich mit so einem "Trampel" verlobt.

All diese Sprüche und Kommentare entlarven diese Gesellschaft als oberflächlich und chauvinistisch. Der Prinz sagt einmal: "Mit einer wie der kann man alles tun." Sie bringt die schlimmste Seite der anderen zum Vorschein.

Und das ist es, was die so schlecht aushalten. Da kommen einige Geheimnisse aus der Vergangenheit ans Licht, sie erinnern sich an ihre Gräueltaten. Yvonne bringt vieles in Aufruhr, und die anderen versuchen immer wieder, sie loszuwerden. Der Prinz verlobt sich später mit einer anderen Frau, trotzdem kann er die Begegnung mit Yvonne nicht ausradieren.

Auch diese Art der Verlobungen ist vollkommen einseitig: Er meint, er kann sich mit Yvonne verloben, ohne dass sie ein Wort dazu sagt.

Was hier geschildert wird, ist unfassbar misogyn. Diese Männer nehmen sich das Recht, alles mit ihr zu machen. Ob es nun um Vergewaltigung geht oder darum, eine Frau ohne ihre Einwilligung zu verheiraten.

Theoretisch könnte sie den Hof verlassen. Aber das tut sie nicht.

Sie will wissen, wie weit die gehen. Es geht ihr nicht darum, Königin zu werden oder Macht zu haben. Sie will die anderen entlarven.

Ist sie eine Märtyrerin, die das gesellschaftliche und politische System vorführt?

So würde ich sie sehen. Ob es was gebracht hat, bleibt am Ende offen.

Wenige Wochen vor der Premiere musste Wiktor Baginski aufgrund einer Erkrankung die Regie niederlegen. Spontan hat Miloš Lolić übernommen. Was ändert sich dadurch?

Ich würde sagen, dass sich die Spielweise verändert hat. Wir bedienen jetzt mehr die Mittel der Groteske, spielen groß und in einem anderen Tempo. Es gibt viele absurde und wahnsinnig lustige Momente trotz der Brutalität, die das Stück hat.

Das ist Ihre erste große Rolle hier am Haus. Hat der kurzfristige Wechsel Sie verunsichert?

Komischerweise nicht. Ich hatte großes Vertrauen in das Team und das Haus. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass ich so cool bin. Wäre mir das im Studium passiert oder direkt danach, wäre es bestimmt anders gewesen. Und auch wenn ich die Titelrolle spiele, ist das ein totales Ensemblestück. Es geht um gesellschaftliche Konstrukte, jede Figur steht zu allen anderen in Beziehung. Diese vielfältigen Bande zwischen den einzelnen stellen eine große Qualität des Abends dar. Und bilden natürlich auch ein Netz, das mich als Spielerin hält.

Premiere am Samstag 20 Uhr im Marstall, wieder am 15. und 28. Dezember, 3. und 14. Januar

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