"Musik, die hinreißen will": Oscar Jockel über "Zanaida"
Der jüngste Sohn von Johann Sebastian Bach trat zum Katholizismus über, um Organist am Mailänder Dom zu werden. Später ging Johann Christian Bach nach England, was ihm den Beinamen "Londoner Bach" bescherte. 1763 wurde seine Oper "Zanaida" im King's Theatre am Haymarket uraufgeführt. Sie wird nun von Studierenden der Bayerischen Theaterakademie August Everding im Prinzregententheater gezeigt. Oscar Jockel dirigiert das Münchner Rundfunkorchester.
AZ: Herr Jockel, ich gestehe, dass ich die Opern der Vorklassik weniger schätze. Die Musik ist weder Fisch noch Fleisch, weder Händel noch Mozart. Wieso sollte ich mir "Zanaida" trotzdem anhören?
OSCAR JOCKEL: Diese Musik ist nicht langweilig, aber sie wird manchmal sehr langweilig gespielt. Die Partitur enthält keine Anweisungen zur Dynamik und zur Artikulation. Da ist der Interpret gefordert. Und um diese Leerstellen zu füllen, muss man wissen, wie diese Oper entstanden ist.

Für welche Primadonna wurde "Zanaida" denn komponiert?
Johann Christian Bach lernte in London die später auch von Mozart bewunderte neapolitanische Sopranistin Anna de Amicis kennen. Für sie schrieb er die Titelpartie. Ein Kritiker schrieb nach der Premiere über eine Arie am Ende des zweiten Akts bewundernd, sie sei das Schönste, was ein Mensch jemals komponiert und gesungen habe.
Das macht mich neugierig. Trotzdem: Woran könnte es liegen, dass ich die Opern der Zeit nach Händel langweilig finde?
Die Musik von Johann Christian Bach ist sicher harmonisch weniger komplex als die seines Vaters. Dafür war er ein großer Melodiker. Außerdem ist "Zanaida" sehr farbig mit Klarinetten instrumentiert. Die Arien sind dicht und kurz. Es ist eine Musik, die ganz auf Innerlichkeit verzichtet, um hinreißen zu können. "Zanaida" ist Theater in Reinform. Diese Oper will durch Virtuosität unterhalten und in eine andere Welt entführen, um uns unsere graue Gegenwart vergessen zu lassen. Wir sollten uns sehr hüten, diese Musik durch die Brille des 19. Jahrhunderts zu sehen und Psychologie erwarten.
Welche Geschichte wird eigentlich erzählt?
Zanaida ist die Tochter eines Sultans. Sie soll den persischen Prinzen Tamasse heiraten. Der liebt jedoch eine andere Frau und findet Vorwände, sie zum Tode verurteilen zu lassen. Am Ende erkennt Tamasse, wie tugendhaft Zanaida eigentlich ist, was zu einem glücklichen Ende führt.

Warum ist diese Oper so unbekannt?
Die Partitur war im Besitz eines Sammlers und daher lange Zeit nicht verfügbar. Daher kam es erst 2011 beim Leipziger Bachfest zu einer Wiederaufführung.
Haben Sie schon oft Musik des 18. Jahrhunderts dirigiert?
Ich hatte das unglaubliche Glück, früh gefördert worden zu sein - in dem Fall namentlich durch den Barockgeiger und Dirigenten Reinhard Goebel. Ich habe jahrelang für ihn in verschiedenen Ensembles Cembalo gespielt. Aber ich bin nicht auf Musik des 18. Jahrhunderts festgelegt: Später war ich Dirigierassistent beim auf Neue Musik spezialisierten Ensemble Intercontemporain.

Nun sind Sie Assistent von Kirill Petrenko. Das gilt als Karriere-Sprungbrett, wenn man an Oksana Lyniv denkt. Was sind Ihre Aufgaben?
Petrenko dirigiert bei den Osterfestspielen in Baden-Baden "Elektra". Ich probe mit den Sängern. Dirigierassistenten sind das Ohr von außen: Bei Orchesterproben achte ich im Saal auf die Balance. Denn der Platz am Pult ist der akustisch ungünstigste Ort. Außerdem kann ich als Stipendiat der Karajan-Akademie eigene Projekte einstudieren und dirigieren.
Im Prinzregententheater spielt das Münchner Rundfunkorchester. Es ist nicht für Musik des mittleren 18. Jahrhunderts bekannt.
Die Musikerinnen und Musiker machen das trotzdem hervorragend. Sie sind sehr flexibel und mit wachem Ohr dabei. Und sie wollen jedem Takt eine Richtung und Dynamik geben.
Premiere am 8. März um 19.30 Uhr im Prinzregententheater, weitere Vorstellungen am 10., 12., 14. und 16. März. Karten unter theaterakademie.de und Telefon 2185 1970