Musical "Cats" in München: Miauen unterm Mond
München - Klassischer kann ein modernes, wenn auch schon wieder 41 Jahre altes Musical nicht sein. Zur München-Premiere der aktuellen Tourneeproduktion ertappte sich mancher beim bewegten Mitsummen der Melodien aus der Feder von Andrew Lloyd Webber.
Die Songs hatten, glaubt man einem im vergangenen Jahr erschienenen Enthüllungsbuch einer früheren Sprecherin des Weißen Hauses, sogar weltpolitische Wirkung. Wenn der damalige US-Präsident Donald Trump einen seiner Wutausbrüche hatte, sollen ihn die Songs aus "Cats" besänftigt haben.
73 Millionen Zuschauer seit der Uraufführung 1981
Über tobende politische Führer hinaus hat sich auch der Rest der Welt der Magie der Katzen ergeben. Seit der Uraufführung 1981 in London haben das Musical nach offizieller Angabe 73 Millionen Menschen gesehen. Das ist insofern etwas Wunderbares, als es keine Handlung im traditionellen Sinne gibt. Der britische Dramatiker, Dichter und Katzenfreund T. S. Eliot veröffentlichte 1939 "Old Possums Katzenbuch" mit Gedichten, die er für seine Patenkinder geschrieben hatte.
In dieser Lyriksammlung kommen bei einem Ball auf einer Müllkippe viele der schnurrenden Haustiere zu Wort und erzählen von sich und ihrem Dasein. Das prägt die revuehafte Dramaturgie, denn Texter Trevor Nunn hatte den Plan, jedes der Gedichte so unverfälscht wie möglich zu belassen. Die Musik, die Webber zu Eliots Dichtung einfiel, gehört zudem nicht zu den zündendsten Einfällen des legendären Musical-Schöpfers.
Performance ist und bleibt atemberaubend
Und doch entwickelt "Cats" auch jetzt wieder, dem vierten Gastspiel im Deutschen Theater, einen ungeheuerlichen Sog, der das Publikum in diese fast immer nur von fahlem Mondschein beleuchteten Welt streunender Katzen mit Macht zieht.
Die nahe am Londoner Original bleibende Produktion in englischer Sprache fasziniert zum einen mit dem sensationellen Bühnenbild von John Napier, das schon für sich eine grandiose Rauminstallation aus kunstvoll arrangiertem Abfall und Schrott ist. Zum anderen ist die auf Gillian Lynne basierende Choreografie schlichtweg atemberaubend.
Zauber-Kätzchen und Womanizer-Kater
Showtanz, klassisches Ballett, zeitgenössisches Tanztheater und Akrobatik gehen hier innig ineinander - besonders spektakulär beim Zauber-Kätzchen Mistofelees (Liam Mower) oder beim stets zu Schabernack aufgelegten Duo Rumpelteazer (Lottie Stephens) und Mungojerry (Harry Robinson). Martin Callaghan überrascht als Old Deuteronomy, der der alte weise Kater dieser Versammlung ist, mit jugendlich hohem Timbre. Der Womanizer-Kater Rum Rum Tiger (Ed Wade) erinnert visuell an den König der Löwen, ist aber weitaus viriler und verfügt über leicht frivolen Charme.
In "Cats" geht es auch um die großen Themen
Der Song mit den größten Ohrwurm-Qualitäten bleibt "Memory", das Lied der Grizabella. Jacinta Whyte zeigt mit vielfarbiger und am Ende wuchtig voluminöser Stimme eine nicht nur gebrochene, sondern auch zerbrechliche Diva mit glanzvoller Vergangenheit.
Da es nicht nur darum geht, in den Katzen den Menschen und umgekehrt zu entdecken, sondern auch um große Themen wie Gerechtigkeit, Vergebung und Religiosität, wird die Ausgestoßene dann doch noch zur "Jellicle Cat" des Jahres und startet von einem Lastwagen-Reifen aus ihre Himmelfahrt in das nächste ihrer neun Leben.
Deutsches Theater, Schwanthalerstraße 13, bis 26. Juni 19.30 dienstags bis samstags, samstags aucb 14.30 Uhr, sonntags 14 und 19 Uhr, Telefon 55234444
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