Mateja Koleznik über Ibsens "Nora"
Die Regisseurin Mateja Koleznik über Ibsens "Nora" und die Situation in ihrer Heimat Slowenien
Auf dem Spielplan des Residenztheaters steht noch ihr „König Ödipus“ von Sophokles. Im Marstall läuft Mateja Kolezniks Inszenierung von Albert Ostermaiers Adaption der „Madame Bovary“ in der dritten Spielzeit. Nun springt ihre Version von Ibsens „Nora“ für die abgesagte Produktion von Peter Handkes jüngstem Werk „Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße“ ein. Aus Produktion in Kärntens Hauptstadt Klagenfurt wird nur Till Firit als Noras Gatte Torvald zu sehen sein. Der 39-Jährige wird ab der nächsten Spielzeit festes Mitglied des Resi-Ensembles. Die Titelrolle spielt Genija Rykova. Wir trafen die Regisseurin am Internationalen Frauentag.
AZ: Frau Koleznik, Sie arbeiten in einem noch immer von Männern dominierten Beruf. Bedeutet das Datum 8. März etwas für Sie persönlich?
Mateja Koleznik: Nein. Aber um über Nora zu reden: Es scheint, dass der Text seine Schärfe verloren hat, weil Frauen heute selbständig leben können. Wir können unsere Berufe selbst wählen und im Prinzip sind wir nicht mehr abhängig von unseren Männern. Entschließt sich eine Frau heute dazu, eine „Puppe“ ihres Ehemanns zu sein, dann ist es ihre ganz eigene Entscheidung. Was mich heute erschreckt ist, dass nach mehr als hundert Jahren Kampf um die Rechte der Frau immer wieder mehr Frauen zurückgehen an den Herd. Zumindest in dem Land, aus dem ich komme, wirkt zur Zeit ein neuer Konservatismus.
Wie ist denn das aktuelle gesellschaftliche Klima in Slowenien?
Slowenien hat es geschafft, die Kultur aus dem Alltag fast völlig zu beseitigen. Sie ist ein reines Luxusgut geworden. Seit der Flüchtlingskrise der letzten Jahre sind wir nur noch eine kleine Sippe, die verhärtet ist und sich verschließt - fremdenfeindlich, faschistoid, klein und kleingeistig.
Welche Rolle spielt das Theater unter diesen Umständen?
Um gerecht zu sein: Das Theater hatte und hat noch immer die beste Position – verglichen mit anderen Kultursparten. Das hängt vermutlich mit der gemeinsamen Sprache zusammen, die zwei Millionen Menschen verbindet. Das Theater steht in der Tradition dieses Sprachraums. Es war schon in der Zeit des Sozialismus stark subventioniert und verglichen mit der Einwohnerzahl haben wir eine große Anzahl von professionellen Schauspielern und Theatern und auch Theaterbesuchern. Das ist noch immer so. Aber unsere Budgets betragen heute nur ein Drittel dessen, was wir vor etwa zehn Jahren noch hatten.
Ihre vorhergehende Arbeit in München war „Ödipus“. Sie transponierten damit eine antike Tragödie aus dem fünften Jahrhundert vor Jesus Christus verblüffend schlüssig in die Epoche der Bonner Republik. Was machen Sie nun mit dem erst 188-jährigen Norweger?
Ibsen hat zeitlos geschrieben. Seine Charaktere sind sehr auf sich selbst fixiert und das macht sie up-to-date. Der andere Punkt ist die unterdrückte Sexualität. Es ist die Geschichte einer kleinbürgerlichen Ehe. Wir haben es mit einem Ehemann zu tun, der dominant sein muss, weil er genau das nicht ist, und mit einer Ehefrau, die zufrieden damit ist, untergeordnet zu sein, denn dafür erhebt sie den Anspruch, geschützt zu werden. Und wir erleben drei Weihnachtstage, während denen sich herausstellt, dass der Mann, den sie geheiratet hat, nicht ein Ritter ist, der sich für sie aufopfert, sondern ein egoistischer Feigling. Ich habe keine Ahnung, was aus ihr danach wird. Aber sie wird ihr Muster beibehalten und ganz sicher ist sie nicht ab morgen eine Kämpferin für Frauenrechte. Mathias Hejny
Cuvilliéstheater, Premiere heute, 19.30 Uhr, nächste Vorstellungen am Samstag, 19.30 Uhr, 20. März, 19 Uhr, Telefon 21851940
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- Bayerisches Staatsschauspiel