Marco Goeckes Ballett "La Strada"

Marco Goeckes Ballett „La Strada“ nach dem Film von Fellini im Gärtnerplatztheater
Vesna Mlakar |
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"La Strada" im Gärtnerplatztheater.
Marie-Laure Briane 2 "La Strada" im Gärtnerplatztheater.
"La Strada" im Gärtnerplatztheater.
Marie-Laure Briane 2 "La Strada" im Gärtnerplatztheater.

Schwarz ist die vorherrschende Farbe. So sehen die finsteren Plätze und Straßen in Marco Goeckes Tanzadaption von Federico Fellinis „La Strada“ aus. Das Meer und die Küste, an der die gefühlsfreudige, dabei etwas einfältige Gelsomina (Verónica Segovia) verarmt in einer geschwisterreichen Familie aufwächst, ist im Hintergrund zu ahnen. Mit Stoff, der über einem später offenen Kornfeld Wellen schlägt oder dieses dünenartig verhüllt.

Mehr Drumherum braucht der auf 80 intensive Minuten komprimierte Ballettabend nicht. Wie wenig ein Leben bedeutet, erfährt man gleich zu Beginn. Da krümmt sich in der Ferne mit stummen Schreien eine leidgebeutelte Frau. Sie wird mit scharfen Schlägen auf den Hals ermordet. In der folgenden Szene krächzt die abgehalfterte Mutter (einfach schaurig-toll: Isabella Pirondi) den Namen geradezu geisterhaft in den leeren Raum. Kurz erkennt man zwei Fächer aus Geldscheinen. Gelsominas Totentanz nimmt seinen Lauf. Sterne am Himmel leuchten erst auf, als sich Zampanó – rücksichtsloser Frauenverbraucher – verlebt und ergraut mit hängendem Kopf und krampfartigen Schluchzern über den Verlust und die vertane Chance einer Liebe grämt.

Gemeißelte Gestalten im Raum

Özkan Ayik, der die Rolle des ungehobelten Schaustellers bei der Premiere eindrücklich verkörpert, muss den finalen Moment seines seelischen Zusammenbruchs an der Rampe stehend durchleben. Den Blicken der Zuschauer unmittelbar ausgesetzt. Goecke stellt so immer wieder Nähe her. Figuren, die gefühlsmäßig meist wenig miteinander anfangen können.

Lesen Sie auch unser Interview mit dem Choreografen

Eine Ausnahme macht der agile Seiltänzer Matto (wunderbar weich und wendig: Javier Ubell), dessen Kunstfertigkeit und Wesen Gelsomina fasziniert. Was beide von Fröhlichkeit getragen in unbeschwerten Augenblicken erleben, passiert flüchtig am Rand. Das unterscheidet dieses Paar von allen anderen Konstellationen, deren. Gegeneinander sich Station für Station im Zentrum der Bühne abspielt.

Als gebürtiger Wuppertaler ist der Choreograf stark vom Tanztheater Pina Bauschs geprägt. Doch selten tritt dieser Einfluss so zu Tage, wie bei dieser Uraufführung für das Staatstheater am Gärtnerplatz. Grund dafür mag der unverwechselbare Klang der Musik von Nino Rota sein, mit dem das Orchester unter Michael Brandstätter für eine starke Atmosphäre sorgt. Bis hin zu den swingenden Tanzrhythmen, auf die das Ensemble in weißen Hemden und schwarzen Hosen kollektiv die Hüften zur Seite driften lässt.

Die Bilder gehen einen nicht mehr aus dem Kopf

Trotzdem bleibt Goeckes „Lied von der Straße“ seltsam eigen – auch aufgrund zahlreicher langsamer Sequenzen, in denen das Tanzen auf ein Minimum zurückgefahren wird. Da ist dieses Bild, wenn Zampanó und Gelsomina wie vom Schüttelfrost gepackt am Boden sitzen. Rechs und links von zwei Scheinwerfern gerahmt, in deren Licht sich ein Tänzer und zwei Tänzerinnen mit Hirschgeweih vergnügen. Es dauert seine Zeit. Dann aber bekommt man das Bild eines riesigen Autos, das über steinige Weg holpert, nicht mehr aus dem Kopf.

Wie ein Bildhauer meißelt Goecke seine Gestalten in die Tiefen des Raums. Seine bevorzugten Werkzeuge dabei sind: gezielt eingesetztes Licht (Udo Haberland), prompte Auftritte und betonte Abgänge, kraftvoll bewegte Körper und ein impulsives Spiel der Finger, Hände, Arme und des Oberkörpers.

Alles, was man äußerlich über die Figuren erfahren soll, verraten Details der Kostüme (Ausstattung: Michaela Springer). Die am Hosenbund aufgenähten Münzen machen Zampanó zum Zigeuner. David Valencia, tänzerisch grandios auftrumpfender Zirkusdirektor einer dubios-virtuosen Artistengemeinschaft, trägt stolz Zylinder. Eine rote Nase macht Alessio Attanasio zum Clown, der mit fiebriger Alltagshektik und gelassener Quirligkeit gegen die große Tristesse ankämpft.
Natürlich vergeblich. In Goeckes „Das Lied der Straße“ siegt der Schmerz. Einhellige Begeisterung in der Premiere.

Wieder am 14., 15., 17., 23. Juli im Gärtnerplatztheater. Karten unter Telefon 2185 1960
 

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