Mal was anderes als Nockherberg: Was Maxi Schafroth in München plant

Die Intendantin Barbara Mundel stellt das Programm der Kammerspiele für die kommende Spielzeit vor – einschließlich eines Projekts mit dem Nockherberg-Fastenprediger.
Michael Stadler |
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Der Fastenprediger Maximilian Schafroth debütiert als Dramatiker in den Kammerspielen.
Der Fastenprediger Maximilian Schafroth debütiert als Dramatiker in den Kammerspielen. © picture alliance/dpa

Bei einer Spielzeit-Konferenz soll es natürlich hauptsächlich um die Kunst gehen, aber gerade im Falle der Kammerspiele interessieren einen die Auslastungszahlen natürlich schon. Intendantin Barbara Mundel hakt das Thema geschickt gleich am Anfang des Stelldicheins mit der Presse im Schauspielhaus der Kammerspiele ab.

17 Prozent mehr Publikum kam im Vergleich zum letzten Jahr in die Kammerspiele, lautet die frohe Botschaft. Zudem ist der Anteil an jungen Menschen erneut um fünf Prozent gestiegen: Fast ein Drittel der Zuschauenden war zuletzt unter Dreißig.

Wenn man dann nach der Pressekonferenz bei Mundel nachhakt, ergibt sich ein genaueres Bild: Auf ungefähr 70 Prozent Auslastung könnten die Kammerspiele am Ende der Spielzeit – knapp zwei Monate werden ja noch gespielt – kommen. Und die Sparpläne der Stadt, die teilweise keine Pläne mehr, sondern Realität sind, wirken sich natürlich auch auf den neuen Spielplan aus. Nicht auf die Anzahl der Premieren, aber es werde schon "an allen Ecken und Enden" gespart, also an den Stellen, wo das eben möglich scheint, ohne die Kunst zu schmälern, so Barbara Mundel.

Neue Spielzeit in den Kammerspielen München: Diverser Kurs

Die Rücklagen des Hauses sind weitgehend weg, die gestiegenen Einkünfte in diesem Jahr natürlich prima angesichts der Tatsache, dass den Kammerspielen pro Jahr 800.000 Euro weniger städtisches Budget zur Verfügung stehen. Inhaltlich fahren die Kammerspiele weiterhin einen progressiven, diversen, integrativen Kurs.

In ihrer anfänglichen Rede verweist Mundel auf zwei jüngere Premieren, "Mephisto" und "Was ihr wollt". Bei beiden wurde exemplarisch gezeigt, "wogegen wir anspielen, welche Freiheitsräume für verletzliche Körper voller Sehnsüchte und Brüche wir auf dieser Bühne feiern wollen und wie diese Freiheitsräume aber auch bedroht sind."

Die Spielzeit-Pressekonferenz 2025/26 der Kammerspiele.
Die Spielzeit-Pressekonferenz 2025/26 der Kammerspiele. © Judith Buss

In diesem Sinne wird Kammerspiele-Hausregisseur Jan-Christoph Gockel wohl auch die erste Premiere der nächsten Saison inszenieren. Er nimmt sich Schillers dreiteiliges Dramen-Epos "Wallenstein" vor, peilt dabei mit seinem Team eine Inszenierungslänge von sieben Stunden an.

Von Schiller zu Putins Koch

Schiller entführt mit seiner Stück-Trilogie in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges – den Bogen zu heutigen Kriegen und Kriegstreibern will Gockel spannen, sieht dabei im Ex-Putin-Vertrauten Yevgeny Prigozhin, einst Kopf der Söldnergruppe Wagner, einen Wiedergänger des Feldherrn Wallenstein. Wobei Prigozhin, der seine Karriere mit einem Hotdog-Stand begann und später zu "Putins Koch" wurde, ähnlich wie Wallenstein ein tragisches Ende finden sollte.

Mit Ensemblemitgliedern wie Annette Paulmann, Johanna Eiworth oder Katharina Bach will Gockel zudem die Schillerschen Männlichkeitsbilder hinterfragen. Samuel Koch wird Wallenstein spielen. Nicht nur zu einer optischen Schlachtplatte lädt Gockel ein, sondern es werden auf der Bühne, wohl mit Blick auf die Kriegs- und Kochkünste Prigozhins, Mahlzeiten gekocht, die die Zuschauenden während dieses Theatermarathons verspeisen dürfen. Premiere ist am 4. Oktober.

Die Spielzeit-Pressekonferenz 2025/26 der Kammerspiele.
Die Spielzeit-Pressekonferenz 2025/26 der Kammerspiele. © Judith Buss

Ebenfalls im Schauspielhaus, ebenfalls im Oktober gibt es zwei weitere Premieren: Wiebke Puls nimmt sich "Bevor ich vergesse" der französischen Autorin Anne Pauly vor: In ihrem Romandebüt erzählt Pauly von dem Tod ihres Vaters, den Dingen, die es notwendigerweise zu organisieren gab – Beerdigung, Trauerfeier, Entrümpelung –, und der damit verbundenen Trauerarbeit. Wiebke Puls erstellt die Spielfassung und wird sich selbst als Solistin in Szene setzen (Premiere am 8. Oktober).

Der Fastenprediger als Theaterautor

Danach kommt die erste Theaterarbeit von Kabarettist Maximilian Schafroth zur Uraufführung: Schafroth inszeniert einen Text, den er gemeinsam mit Martin Valdés-Stauber schreibt. Darin soll es um allerlei ländliche und städtische Wachstumsphänomene gehen. Der kabarettistisch-musikalische Theaterabend "Wachse oder Weiche" wird am 24. Oktober uraufgeführt.

Unter dem Titel "Wohin jetzt?" folgt ein Programmschwerpunkt über das jüdische Leben direkt nach der Nazizeit und heute, mit Blick auf den Anstieg antisemitischer Vorfälle in Deutschland. Christine Umpfenbach inszeniert die Uraufführung von "Zeit ohne Gefühle", einem neuen Text von Lena Gorelik.

Das Stück dreht sich um eine einst in Feldafing befindliche "Reichsschule", die direkt nach dem Krieg in ein Auffanglager für "Displaced Persons" umgewandelt wurde (Premiere am 30. Oktober). Sandra Strunz inszeniert mit "Play Auerbach!" eine Münchner Erinnerungsrevue nach einem Text des israelischen Theatermachers Avishai Milstein (Premiere am 4. Dezember).

Es geht aufwärts! Die Intendantin Barbara Mundel (links) im Gespräch mit der Schriftstellerin Lena Gorelik. In der Mitte der Gebärdensprachendolmetscher Christian Pflugfelder.
Es geht aufwärts! Die Intendantin Barbara Mundel (links) im Gespräch mit der Schriftstellerin Lena Gorelik. In der Mitte der Gebärdensprachendolmetscher Christian Pflugfelder. © Judith Buss

Ähnlich wie im Residenztheater liegt in der nächsten Saison die Regie auch in den Kammerspielen beachtlich oft in weiblicher Hand, ohne dass Intendantin Mundel das bei der Pressekonferenz extra erwähnt. Viele Buchadaptionen stehen auf dem Plan: Felicitas Brucker inszeniert "Love me tender", nach dem Roman von Constance Debré, Jette Steckel inszeniert Bulgakows "Meister und Margarita". Komödienspezialistin Nora Abdel-Maksoud ist mit "Wokey Wokey" auf den Spuren von George Orwells "1984"; Sarah Kohms Adaption von Jovana Reisingers "Enjoy Schatz" für die Berliner Schaubühne hat im Frühjahr 2026 seine München-Premiere, Reisinger selbst spielt mit.

Comeback für Julia Riedler und "Dionysos Stadt"

Zudem lässt Doris Uhlich das Ensemble wieder tanzen, und Anna Smolar inszeniert mit "Eurydike und Orpheus" einen Musiktheater-Abend, der offenbar Eurydike auf Platz 1 des Interesses stellt. Und ja, auch Leonie Böhm, mit ihrer "Räuberinnen"-Inszenierung in bester Erinnerung, kehrt an die Kammerspiele zurück.

Sie nimmt sich Lucas Rijnevelds Roman "Mein kleines Prachttier" vor, Premiere ist im Juni 2026. Es geht um Liebe und Gewalt, aus der Täterperspektive, und neben Annette Paulmann, die das Stück bei der Pressekonferenz vorstellte, steht auch Julia Riedler auf der Bühne. Zuvor schon, am 2. April, hat Riedlers am Volkstheater Wien bereits viel umjubeltes, von Leonie Böhm inszeniertes Solo "Fräulein Else" seine Münchner Premiere.

Kehrt Julia Riedler etwa ins Ensemble der Kammerspiele zurück? Als Gast ist sie zumindest schon mal da. Und neben Gockels "Wallenstein" kehrt ein anderer Theatermarathon zurück: Im Januar und Juni 2026 gibt es wieder Christopher Rüpings "Dionysos Stadt" zu sehen.

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