"Liebeslichterloh" in der Schauburg - die AZ-Kritik
Etwas ist schief gelaufen. „Shit!“ haucht die Schöne. Gerade erwachte sie aus einer todesähnlichen Bewusstlosigkeit, zu der ihr ein Mönch mit einem Trunk verholfen hatte. Um der Heirat mit dem Grafen Paris zu entgehen, hatte sie einen Selbstmord vorgetäuscht. Nun liegt der Mann, den sie wirklich liebt, neben ihr – und ist wirklich tot. Ihn hatte die Nachricht, dass der Tod seiner Geliebten nur ein Fake ist, nicht erreicht und er tötete sich selbst.
Mit diesem Ende der tragischsten Liebestragödie aller Zeiten beginnt „Liebeslichterloh“ in der Schauburg. Dort dient der Stoff einer „Liebescollage mit viel Musik unter Verwendung von Texten aus William Shakespeares ,Romeo und Julia’ in einer Stückfassung von Peer Boysen“ für Zuschauer ab 14 Jahre. Das entspricht etwa dem Alter Julias, die Regina Speiseder nicht nur mit zierlicher Anmut und umwerfendem Charme ausstattet, sondern auch mit erfrischender Zickigkeit.
Ihr Romeo hat es da nicht immer ganz leicht mit ihr, wenn es etwa darum geht, ob es bereits die Lerche ist, die draußen singt, oder doch erst die Nachtigall. Markus Campana aber ist der ideale junge Herr aus Verona: Schwarze Lockenmähne und funkelnder Blick mit einem leichten Hauch von Machismo.
Zerschellende Klischees
Das einzige Klischee, dass sich Regisseur und Ausstatter Peer Boysen darüber hinaus noch gestattet, sind die Kostüme, von denen einige aus einer Shakespeare-Inszenierung der 1950er-Jahre zu uns geweht zu sein scheinen.
Doch die historisierenden Wämse, Hauben und Roben haben vor allem den Zweck, an Boysens Sicht auf das Drama wirkungsvoll zu zerschellen.
Die Bühne wird von einem mächtigen Baugerüst beherrscht, das von den Geschlechtertürmen inspiriert zu sein scheint, mit denen italienische Familien im Mittelalter ihren Reichtum zur Schau stellten. Bei den Capulets reicht das Bauwerk über die Decke des Theatersaals hinaus. Was in der obersten Etage geschieht, wird mit einer Kamera in den Saal übertragen.
Das Fundament aber ist die tief in die Unterbühne verlegte Familiengruft, die auch das Zentrum von Boysens seltsam verträumtem Ritt kreuz und quer durch das Drama ist. Basiswissen über das Werk schadet nicht, aber nach den 90 Minuten fügen sich die Bruchstücke zusammen. Zwar fühlen die Figuren vorwiegend zurückhaltend, aber was ihnen an Emotionalität fehlt, liefern die 17 Songs, die in begeisternden Arrangements von einer stimmlich famosen Truppe aufgeführt werden.
Die Playlist ist bunt und reicht vom Trauer umflorten „Flow My Tears“ des Shakespeare-Zeitgenossen John Dowland über Pop von Celine Dion („My Heart Will Go On“) und Christina Aguilera („Say Something“), Deutschpunk von Die Ärzte („Junge“), Gruftiges wie „Where The Wild Roses Grow“ von Nick Cave und Kylie Minogue bis zum atmosphärestarken „Wödawüln“ vom Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinn.
Schauburg, 12., 21. Januar, 18. Februar, 3., 4. März 19.30 Uhr, 23. Januar, 20. Februar, 5. März 20 Uhr, 13., 22. Januar, 19. Februar 10.30 Uhr, Telefon 23337155
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