Lettow: Wir schaffen das – auch die Pest!
München - Für den 29-Jährigen ist es die erste Hauptrolle in München. Thomas Lettow spielt den "König Ödipus" in der Inszenierung der slowenischen Regisseurin Mateja Kole(z)nik. Das Stück von Sophokles, uraufgeführt um das Jahr 425 vor unserer Zeitrechnung, ist antike Tragödie in ihrer reinsten Form: Die Pest wütet in Theben, aber der König verspricht seinem Volk, denjenigen aufzuspüren, dessen Schuld den Zorn der Götter hervorgerufen hat.
Ödipus findet den Schuldigen – er selbst ist es. Wie sich im Verlauf der Ermittlungen herausstellt, hat er, ohne es zu ahnen, seinen Vater erschlagen und seine Mutter geheiratet.
Thomas Lettow, geboren 1986 in Königs Wusterhausen. Er studierte Schauspiel in Rostock, wo er auch am Volkstheater engagiert war. 2014 kam er ins Resi-Ensemble.
AZ: Herr Lettow, Sie studierten in Berlin Filmwissenschaften, bevor Sie an die Schauspielschule in Rostock gingen. Gab es in Ihrem Leben eine Option, in den Filmbereich zu gehen - etwa als Regisseur oder Produzent?
THOMAS LETTOW: Es war ein theoretisches Studium und keine praktische Ausbildung. Mir hat das Studium mit seiner theoretischen Herangehensweise Spaß gemacht, aber die Arbeitsfelder drehen sich dann doch eher um die Filmwissenschaft selbst. Entweder wird man Filmkritiker oder schreibt Texte für Kenner. Ich möchte die Zeit allerdings nicht missen, denn sie brachte mir eine Erfahrung auf einem anderen Gebiet, auf die ich auch jetzt zurückgreifen kann.
Wenn man Ihren Namen googelt, stößt man sehr frühzeitig auf ein Fernseh-Kuriosum: Eine "Science Soap" mit dem Titel "Sturm des Wissens". Sie spielen darin den jungen Physiker Florian Pätzold. Zur Zeit läuft die Serie in einem österreichischen Privatsender.
Das kann gut sein.
Sie wissen das gar nicht?
Ich habe keinen Kontakt mehr. Es war eine Initiative der Hansestadt, um sie als Wissenschaftsstandort zu stärken, zusammen mit der Schauspielschule, bei der es im dritten Jahr immer eine Filmarbeit gibt. Das ist nicht unbedingt mein Lieblingsgenre, aber ich finde, es ist ganz schön geworden.
Wer ist König Ödipus, wie Sie ihn spielen?
Er ist sehr stolz. Er ist grenzwertig selbstbewusst. Er ist übermütig. Aber er ist auch jemand, der handelt, die Dinge anpackt und verändert. Und während der einen Stunde und 20 Minuten, die die Aufführung dauert, wird er zum Mann und zum wahren König.
Diesen Beruf hat er allerdings dann verloren.
Dafür gewinnt er Erkenntnis. Ohne den Verlust des einen würde er das andere nicht erlangen. Dieser Weg führt durch das Leid.
Alfred Kerr, der Berliner Großkritiker aus den 1920er-Jahren, verspottete den tragischen Helden als "Blödipus" und beschreibt die "dramatische Unentrinnbarkeit", die dem Stück zugeschrieben wird, als lächerlich und konstruiert: "Man sieht weit eher deutliche Entrinnbarkeit bei einem so ertüftelten Orakelfall." Wie würden Sie ihm antworten?
Die eine Ebene ist, dass Ödipus zu schnell handelt. Er denkt, er ist den Dingen voraus, aber er hat seinen Fokus immer auf der falschen Stelle. Er erkennt viel zu spät, was vor sich geht und kann die Puzzleteile erst zusammensetzen, als es zu spät ist. Er macht einen Fehler nach dem anderen. Die andere Ebene, die den Mythos betrifft, ist, dass es nicht um eine nachvollziehbare Handlung geht, sondern um die Metaphorik.
Wie gehen Sie damit um?
Die Situation auf unserer Bühne ist heutig: Die politische Elite kommt zusammen, um zu beraten, wie man die Pest wieder aus der Stadt bekommt. Wir packen das in einen demokratisch parlamentarischen Kontext, aber die Geschichte bleibt natürlich bestehen. Es geht um allgemeingültige Inalte: "Trage die Konsequenzen deines Handelns!" Und: "Erkenne dich selbst!"
Interview: Mathias Hejny
Residenztheater, Premiere am Samstag, 19 Uhr,
21., 22., 29. 10., 19.30 Uhr,
3., 13., 16., 18. 11., 20 Uhr,
Karten: 21 85 19 40
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