Leonard Bernsteins "West Side Story" in der AZ-Kritik

Die Show-Maschine läuft: Die erste Premiere im frisch renovierten Deutschen Theater an der Schwanthalerstraße: Leonard Bernsteins ewig junge „West Side Story“ als Remake der Ur-Inszenierung vom Broadway
von  Robert Braunmüller

Die Sitze sind viel bequemer. Zwar ist die Bühne so schmal wie vor dem Umbau geblieben, doch der ansprechend neu gestaltete Zuschauerraum wirkt intimer als früher. Im vorderen Parkett mischt sich das Orchester im Graben bestens mit der dezenten Verstärkung, die so natürlich wirkte wie selten.

Für Musicals wurde das Deutsche Theater durch den Umbau perfekt optimiert. Und was nun als erste Premiere auf die Bühne kommt, passt auch: Leonard Bernsteins ewig frische „West Side Story“ reiht Hits wie „America“, „Somewhere“, „Cool“ oder „I Feel Pretty“ aneinander. Die jazzige Musik der getanzten Kampfszenen fährt einem in die Glieder, wenn sie so frisch gespielt wird wie unter dem Dirigenten Donald Chan und seinem überwiegend osteuropäischen Orchester.

Ganz weit weg

Wer die Aufführung besucht, muss eine Grundvereinbarung akzeptieren: Es handelt sich um das Update der Ur-Choreografie von Jerome Robbins. Sie geht mit der Vorlage so respektvoll um wie eine russische Ballettcompagnie mit „Dornröschen“. Der Rassismus, die Fremdenfeindlichkeit und die Hoffnungslosigkeit der jungen Migranten schiebt der Abend ganz weit weg ins New York von 1957. Das pure Theatervergnügen bleibt ungetrübt, aber öfter steigt der Wunsch auf, der Regisseur würde mit der Lunte ein wenig am Sprengstoff der „West Side Story“ zündeln.

Aber wir sind nicht im deutschen Stadttheater, sondern bleiben in der Schwanthaler-straße nur eine Ecke vom Broadway entfernt. Und natürlich ist dieses Musical, das die Capulets und Montagues aus Shakespeares „Romeo und Julia“ in rivalisierende Jugendbanden verwandelt, selbst frühes Regietheater.

Joey McKneelys Inszenierung erzählt die Geschichte von Tony und Maria angenehm altmodisch und handgemacht. Im ersten Teil würden ein paar Striche in den amerikanischen Dialogen nicht schaden, die in Übersetzung links und rechts neben die Bühne projiziert werden.

Elektrifiziertes Kleiderlager

Der Premieren-Tony Liam Tobin wirkte ein bisschen zu brav für einen Ex-Rowdy, aber er sang so gut wie seine Maria Rachel Zatkoff. Nach der Pause steigert sich das Tempo. Zum leider aus dem Off gesungenen „Somewhere“ tanzen die Darsteller eine utopische Traum-Versöhnung. Tonys Tod fand das Premieren-Publikum unfreiwillig komisch: In der Tat wurde da mehr mit pathetischen Worten gerungen, statt das Herz des Zuschauers zu ergreifen. Das ist eine größere Schutzgebühr, die für die Treue zur Ur-Inszenierung entrichtet werden muss.

Der Beifall war kurz, erfolgte aber im Stehen. Für die Drängelei an den neuen Garderoben sollten sich Besucher mit guter Laune rüsten. Und was passiert, wenn die Motoren dieses elektrifizierten Kleiderlagers ausfallen oder gar durchdrehen – das wär’ ein Stoff für Charles Chaplin oder Monty Python’s seligen Flying Circus.

Bis 27. April, täglich außer Di, 20 Uhr, Karten unter Telefon 55 23 44 44

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