"La Cenerentola", inszeniert von Brigitte Fassbaender
Das Gärtnerplatztheater feiert seine Eröffnung vor 150 Jahren mit einer spritzigen Inszenierung von Rossinis "La Cenerentola"
Die Ironie: Seinen 150. Geburtstag feierte das bürgerliche Gärtnerplatztheater baustellenbedingt nicht bei sich, sondern im ehemaligen Hoftheater von Cuvilliés. Aber Intendant Josef Köpplinger hat sich vor dem Bühnenvorhang gleich nicht nur als bekannter Charmeur, sondern als glänzender Redner erwiesen.
Er spannte in fünf Minuten einen Bogen von der Theatergründung im 19. Jahrhundert – „ich war nicht dabei“ – über Freiheit, Toleranz und Kunst als Ort der Utopie bis hin zum „Wanderdasein“ seines Theaters während des Umbaus. Diesen wiederum verband er mit der derzeitigen Migrationsbewegung – „tausende Menschen wandern, ich wünsche ihnen, dass sie Glück haben, wenn sie hier ankommen“. Das war der Zeitpunkt für seinen „Glückwunsch“ ans Gärtnerplatztheater – und damit auch an sich selbst.
Das Publikum war gerührt, klatschte und der Vorhang konnte sich für die Geburtstags-Premiere heben: Rossinis „Cenerentola“ – in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln – inszeniert von Brigitte Fassbaender, die bewies: Gefällig muss nicht oberflächlich sein. Und dem großen Publikum tut man damit auch einen Gefallen, so wenn beim Pausengespräch beim Sekt Sätze zu hören sind, wie: „Einen Don Giovanni, der aus Schweinehälften winkt, schauen wir uns jedenfalls nicht mehr an!“ Ein Seitenhieb auf die Staatsoper, deren Intendant Nikolaus Bachler nur auf einer Videowand im Foyer als einer der Geburtstagsgratulanten zugegen war.
Alle sind im harten, kunstvoll komischen Koloraturrausch
Fassbaender, die beim großen Premierenjubel am Ende fast zu bescheiden wirkte, hat uns Münchner geschmeichelt, indem sie den Diener des Prinzen Don Ramiro als König Ludwig verkleidet auf Brautschau schickt. Das ist nicht nur ein Witz, sondern eröffnet mehrere Assoziationsebenen: Der königlich verkleidete Diener Dandini kann so – vielleicht homoerotisch veranlagt – glaubwürdiger das frech-erotische Werben von Aschenputtels Stiefschwestern Clorinda und Tisbe abwehren. Diese singen (überaus blendend: Mercedes Arcuri auch mit ihrer wahnsinns-komödiantischen Heul-Arie) und spielen derart gut, dass man ihnen ihren intriganten, egoistischen Rollen-Charakter fasziniert verzeiht.
Und wenn im Hintergrund als Großmodell Neuschwanstein bei Nacht auftaucht, wird man wieder erinnert, dass Walt Disney genau dieses Märchenschloss als Vorbild für Cinderella’s Castle hernahm.
Aus dieser Welt stammt dann auch die Figurenzeichnung der Stiefschwestern als wunderbar grelle, verwöhnte Cartoon-Zicken. Dazu passt, dass ihr Stiefvater Don Magnifico in der Gestalt von Marco Filippo Romano ein begnadeter Sänger-Schauspieler ist: Er ist der Inbegriff des gierigen, korrupten Karrieristen und erntet viel Szenenapplaus.
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Davon hebt sich Cenerentola liebevoll ab. Sie muss als Aschenputtel im herrschaftlichen Haus hier wirklich im offenen Kamin schlafen. Dort liest sie Regenbogenpresse-Märchen, die ihre Sehnsucht beflügeln und zum tränen-rührseligen Lied über den König, der sich in das einfache Mädchen verliebt, inspirieren.
Diana Haller ist als modern selbstbewusste Cenerentola eine wunderbare Besetzung. Nicht nur, weil sie die – den ganzen Abend mit hohem Tempo angegangenen – Koloratur-Arien mit unfassbarer Leichtigkeit nimmt (wie auch alle anderen im Ensemble). Cenerentola ist auch kein Püppchen, sondern geerdet und gönnt sich nach dem Kaffeekochen für Stiefvater und -Schwestern vor dem Abspülen auch mal schnell drei Löffel Zucker in der Tasse: gegen den Zeitgeist eben keine dauernde Selbstoptimierung für den Sex- und Heiratsmarkt! Cenerentola ist eine robuste Person, was ihre Attraktion auf den Prinzen erhöht, der es genießt, der Steifheit des Aristokratendaseins auch mal zu entkommen.
Mit dieser Cenerentola-Inszenierung feiert sich das Gärtnerplatztheater selbst als intelligente, dynamische Unterhaltungsbühne ohne zuviel Meta-Ebene. Das gelingt erfrischend und in diesem Fall sogar mitreißend.
Das Gärtnerplatztheater im Cuvillés-Theater, Rossinis „La Cenerentola“, 9. – 15. November, 19.30 Uhr, 10 – 75 Euro, Telefon 21 85 19 60