Was "Dritte Orte" für die Stadtgesellschaft bringen
Der Gasteig ist tot, es lebe der Gasteig! Er war der perfekte "Dritte Ort". Dass das innerstädtische Kulturzentrum nach 37 Jahren wegen Sanierungsbedarf geschlossen wurde, hinterlässt – trotz Erfindung des HP8 - eine Lücke. Mit Bibliothek, Volkshochschule, Konzert- und Veranstaltungssälen und Foyer bot der Gasteig ein wirklich offenes Haus für alle.
Dass der Koloss von Haidhausen seither auf unbestimmte Zeit als Zwischenlösung als "Fat Cat" privat bespielt wird – und das mit eher hochpreisigen gastronomischen Angeboten – gehört zu den knirschenden Absurditäten der Münchner Kulturpolitik.
Max Wagner, von 2017 bis 2023 Gasteig-Chef, verteidigte seinerzeit die Vielfalt und Offenheit des Hauses mit Verve, schmiss dann aber das Handtuch, als Umbaupläne und -finanzierung des kommunalen Kultur-Tankers ins Stocken gerieten. Inzwischen ist er einer der beiden Geschäftsführer der Beisheim-Stiftung. Und huldigt nun von hier aus seiner alten Liebe.
"Community Builder" begleiten ein neues Publikum herein
Denn das Konzept der "Dritten Orte", das jetzt in den noblen Räumen der Stiftung vorgestellt wurde, ist letztlich eine dezentrale Weiterentwicklung des Gasteig.

Neu sind Name und Standorte. In vier öffentlichen – teils städtischen, teils staatlichen – Institutionen entstehen "Dritte Orte". Konkret in der Schauburg, im Haus der Kunst, an der Pinakothek der Moderne und in der Bayerischen Staatsoper.
Der Begriff geht auf den US-Soziologen Ray Oldenburg zurück, der neben "Zuhause" und "Arbeit" den "Dritten Ort" als sozialen, identitätsstiftenden Raum definiert, "where unrelated people relate", also wo sich Fremde begegnen. Ein Treffpunkt für alle Gruppen der Stadtgesellschaft, offen, zentral, niederschwellig, barrierefrei und partizipativ – und bis spät am Abend geöffnet.
Vorbild seien, so Wagner, zum einen öffentliche Bibliotheken, die schon seit den 1970er Jahren ähnliche Funktion übernehmen, sowie spartenübergreifende soziokulturelle Projekte wie das "DOKK1" in Aarhus, das "Oodi" in Helsinki oder das Pariser "Centquatre".

"Türen öffnen, Beziehungen fördern, unsichtbare Barrieren abbauen", beschreibt er die Aufgabe. Und Andrea Gronemeyer, Intendantin der Schauburg, bringt das ideale Ziel mit dem sperrigen, aber elementaren Wort der "Teilhabegerechtigkeit" auf den Punkt.
In Zeiten klammer Kassen eine enorme Herausforderung. Daran arbeiten allerdings die meisten größeren Münchner Einrichtungen, vom Ägyptischen Museum bis zum Volkstheater. Aber jetzt investiert eben die Beisheim-Stiftung in den nächsten drei Jahren generös eine siebenstellige Summe in das Pilotprojekt. Bezahlt werden bauliche Maßnahmen und personelle Ausstattung, so bekommt etwa das Haus der Kunst zwei zusätzliche Stellen.
Damit wird das sozialdemokratische Prinzip der "Kultur für alle" nicht neu erfunden, aber neu interpretiert. Das alles ist nicht zuletzt im Eigeninteresse der Institutionen, deren Publikum langsam, aber stetig schwindet. Der Enthusiasmus auf dem Podium ist denn auch gewaltig.

Man wolle neue Zielgruppen erreichen, Aufsichtspersonal schulen und das Stammpublikum dabei nicht stehen lassen, erklärt Wagner. Dafür gibt es sogenannte Community Builder, die "auf Augenhöhe" neues Publikum hereinbegleiten.
Etwa in die Prunksäle der Bayerischen Staatsoper, die laut Intendant Serge Dorny ab Januar 2026 an einem Tag in der Woche bis 17 Uhr als "Apollon Foyers" mit kuratiertem Angebot "zum Dialog" einladen. Auch das Haus der Kunst will seine bisherigen Formate weiterentwickeln, darunter das Open Haus und das MMMaus-Mitmachprogramm für Kinder und Jugendliche.
Chillen, Theaterluft schnuppern und dann Hausaufgaben machen
Die Pinakothek der Moderne wiederum wirft als Projekt das "FLUX" in die Waagschale. Auf der Brachfläche neben dem Museum an der Gabelsbergerstraße, einst für den zweiten Bauabschnitt vorgesehen, entsteht nach dem Entwurf der britischen Designerin Morag Myerscough die quietischbunte Plattform "FLUX". Ein "Wohlfühlort", so Oliver Kase, Sammlungsleiter der Klassischen Moderne, "markant und multifunktional", der am 26. Juni mit dem Kunstarealfest eröffnet wird.
Am nächsten dran am jungen Publikum ist Andrea Gronemeyer von der Schauburg, Münchens Theater für junges Publikum. Weil die Kinder mit dem Kindergarten oder in der Schule ins Theater kommen, böte sich hier ein echtes "Abbild der Stadtgesellschaft", in der 60 Prozent der unter 18-Jährigen einen Migrationshintergrund haben.

Der "Dritte Ort" des Theaters für junges Publikum existiert schon seit Ende 2024, es ist das Schauburg Labor in Ramersdorf, untergebracht im einstigen Heizkraftwerk an der äußeren Rosenheimer Straße, in dem bis letztes Jahr das FestSpielHaus logierte, jahrzehntelang eine Institution der kulturellen Jugendarbeit im Viertel.
Das neue Labor nun soll einen Ort der "Begegnung" für die gesamte Bewohnerschaft bieten – mit Café ohne Konsumzwang – und der "Bildung", wo man in Workshops Theaterluft schnuppern könne, aber auch Hausaufgaben machen kann oder einfach nur Chillen, so Gronemeyer. Es wird am Freitag, den 30. Mai um 16 Uhr offiziell eröffnet.