"Kannst du pfeifen, Johanna" von Gordon Kampe - die AZ-Kritik
Opernfestspiele: „Kannst Du pfeifen, Johanna“ von Gordon Kampe für Kinder ab sieben Jahren im Postpalast
Der Sprung vom Opa zur Oper ist zwar naheliegend, aber offener Bühne gewagt wurde er unseres Wissens noch nie. Am Beginn von „Kannst Du pfeifen, Johanna“ singen zwei befrackte Herren so, wie sich der kleine Maxl eine Oper vorstellt. Man versteht nix, und es ist langweilig.
Dann setzt in Gordon Kampes Oper für Kinder ab sieben die Geschichte ein: Ein Junge sehnt sich nach einem Opa. Er geht mit seinem Freund ins Altersheim. Dort lernen sie Nils kennen. Sie bauen mit ihm einen Drachen und feiern mit ihm Geburtstag. Nur mit dem Pfeifen klappt es nicht: Das will seinem Ersatzenkel lange nicht gelingen. Als er es endlich kann und dem Opa vorführen will, ist dieser gestorben. Dann pfeift er bei der Trauerfeier. Und am Ende ist endlich Wind genug da, um den Drachen steigen zu lassen.
Freundschaft, Tod, Erinnerung
„Kannst du pfeifen, Johanna“ erzählt nach dem Buch von Anna Höglund eine typische Kinder-Opern-Geschichte über die Freundschaft. Auch ein Fremder kann unter günstigen Bedingungen die Rolle eines Opas einnehmen. Das schwierige Thema, dass alte Menschen sterben, wird kindgerecht behandelt. Und Erinnerung spendet Trost.
Leitmotiv ist ein Lied der „Comedian Harmonists“. Opas Soli (Ralf Lukas) erinnern an barocke Arien. Alte Musik passt natürlich zu alten Leuten. Und wie Bach und Händel wiederholen sie sich des Öfteren und kommen manchmal nicht zum Ende und auf den Punkt.
Castorf für Kinder
Die Musik ist nie kindertümlich. Kampe nimmt das junge Publikum ernst: Dem kleinen Ensemble aus zwei Bläsern, zwei Schlagzeugern, Kontrabass und Klavier werden typische Spielweisen der Neuen Musik wie das Atmen durch das Instrument abverlangt. Da ist dann von Rückenschmerzen älterer Leute die Rede. Beim Ticken einer Uhr zupft der Schlagzeuger mikrofonverstärkt an einem Kaktus.
Auch szenisch verlässt „Kannst Du pfeifen, Johanna“ die Sphäre typischen Kindertheaters. Die beiden Buben werden wie im epischen Theater durch zwei Erwachsene verdoppelt. Die Inszenierung von Lukasz Kos zeigt den Spaziergang zum Altersheim durch Projektionen mit einem Overheadprojektor. Und es gibt Videos wie in einer Inszenierung von Frank Castorf.
Coole Sache
Der junge Dirigent Patrick Hahn leitete die Aufführung nicht nur mit klarem Schlag. Er spielte auch den fiesen Nachbarn, in dessen Kirschbaum eine Geburtstagsfeier stattfindet. Der den Berichterstatter begleitende Siebenjährige hatte einen gewissen Respekt vor seinem Gewehr. Er verstand die Handlung und die Verfremdungen sofort. Besonders gefiel ihm natürlich die Verwandlung der Musiker in kaffeetrinkende Altersheimbewohner und die Sauerei mit der Schlagsahne aus der Sprühdose. Und die Musik war auch „cool“.
Mehr kann man nicht verlangen. Schade nur, dass diese schöne Aufführung nach vier Vorstellungen im Postpalast wieder verschwindet. Dabei wäre sie ohne weiteres auch in den Rennert-Saal der Staatsoper übertragbar.
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