Interview

Kabarettist Dirk Stermann im Lustpielhaus: In Haders Windschatten

Dirk Stermann gastiert über sein Solo "Zusammenbraut".
Thomas Becker |
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Nein, Dirk Stermann will nicht heiraten, er möchte nur zur Hochzeit seiner Tochter, ist aber nicht eingeladen.
Nein, Dirk Stermann will nicht heiraten, er möchte nur zur Hochzeit seiner Tochter, ist aber nicht eingeladen. © Ingo Pertramer

Es hat ein paar Jahrzehnte gedauert, aber nun wagt sich Dirk Stermann allein auf die Bühne. Sein erstes Solo-Programm "Zusammenbraut" spielt er am Samstag im Lustspielhaus.

AZ: Herr Stermann, seit 33 Jahren stehen Sie mit Christoph Grissemann auf der Bühne oder vor der Kamera. Seit Oktober sind Sie tatsächlich Solo-Kabarettist – wie ist es ohne Grissemann?
Dirk Stermann: Ich hatte große Sorgen, dass ich mich sehr einsam fühlen würde. Dass ich darauf warte, dass immer, wenn ich etwas sage, mich jemand unterbricht. Tatsächlich ist es aber sehr angenehm, dass mich niemand unterbricht.

Dirk Stermann: Alleine auf der Bühne ist mal etwas Anderes

Entstanden ist Ihr Solo-Sein, weil Grissemann kein neues Programm machen und Sie etwas allein probieren wollten, korrekt?
Viele Leute haben mir immer mal wieder gesagt – überwiegend solche, die in Bands spielen –, dass, wenn man immer im Duo oder in der Gruppe ist, es Sinn macht, sich auch mal allein auszuprobieren. Das habe ich durch meine Romane immer mal wieder gemacht, aber Bühne ist noch mal anders.

Die ORF-Show "Willkommen Österreich" bestreiten Sie weiterhin gemeinsam. War Grissemann mal in einer Ihrer Vorstellungen?
Er hatte sich mal angekündigt, ist aber nicht gekommen. Für ihn ist es glaube ich auch ein bisschen komisch, dass ich das mache. Aber damit kann ich gut leben.

Sie sprechen gern von psychischer Devastiertheit. Auch Ihre vier Romane sind ein Fest für Freunde der geschliffenen Formulierung. Nochmal zu Ihrem Solo, das den Namen "Zusammenbraut" trägt. Richtig, dass das aufgrund eines Fotos entstanden ist, das Sie im Brautkleid als Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer zeigt?
Ich war in Hamburg, ein befreundeter Fotograf hatte die Set-Fotos für den Sketch gemacht: Da hatte ich den Kopf auf einer Glasplatte liegen, sah aus wie eine geisteskranke, sehr queere, unheimliche Person. Das Foto hat er mir geschickt, ich habe das gesehen, als ich im Flieger saß und das Wetter wie immer in Hamburg schlecht war – und plötzlich war dieses Wort "Zusammenbraut" in meinem Kopf. Dann habe ich zufällig den Josef Hader getroffen und ihn gefragt, wie er das so macht. Er meinte: "Ich mach' immer nur ein Theaterstück und schreib' ein paar Witze dazu." Und ich dachte: "Ah, so einfach ist das!" Dann habe mir auch eine Orgel besorgt wie der Josef und versuche mich jetzt in seinem Windschatten.

"Ich hatte nie richtige Kabaretthelden"

Sie leben in Wien, einer Stadt, in der es so viele große Kabarettisten gibt wie in München Fußballprofis. Wer sind Ihre Kabaretthelden?
Ich hatte nie Helden, weil mein Vater, immer wenn ich als Kind jemanden gut fand, sagte: "Stell dir den mal auf dem Klo vor, in so 'ner weißen Unterhose mit braunen Streifen!" Daher konnte ich nie richtige Helden für mich entwickeln. Es gab immer Leute, die ich gut fand auf Bühnen, dazu gehört der Josef natürlich. Bei ihm finde ich gut, dass er nicht per se lustig sein will, sondern quasi immer so tut, als sei er die Figur auf der Bühne, die Abgründe zeigt. Aber sympathische Abgründe, so dass man ihn trotzdem noch mögen kann. Ich hätte kein Comedy-Programm machen wollen. Es ist eher so, dass ich nun meine schlechten Seiten zeige."

Trifft man sich in Wien auch mal unter Künstlern auf ein Achterl?
Neulich hatte ich eine Lesung in der Mariahilferstraße und musste, weil ich während der Lesung viel getrunken habe, dringend pinkeln. Ich wollte aber nicht in ein normales Cafehaus gehen, bin am Stadtsaal vorbeigekommen, wo ich auch öfter auftrete, und wusste: Da kann ich pinkeln. Da war gerade eine Vorstellung von Lukas Resetarits, seine Frau stand da und fragte, ob ich nachher nicht dazukommen wolle – und dann haben wir halt die Nacht durch getrunken. Herrlich!

"Ich sehe mich gar nicht als Schauspieler"

Auch schauspielerisch waren Sie wieder aktiv, im jüngsten Wien-"Tatort". Dabei sagten Sie mal, dass Sie gar nicht gern Schauspieler sind, dass diese Kunst bei Ihnen an letzter Stelle komme.
Eine Freundin hat die Regie gemacht und mir eine Rolle angeboten. Ich war sicher, ich bin eine Wasserleiche, aber sie meinte: "Nein, nein, du hast Text!" Da war ich überrascht und habe mitgemacht. Kurz danach kam ein Angebot für "Soko Donau" – anscheinend bin ich im Krimi angekommen. Ich gehe aber nie auf Filmpartys, in der Hoffnung, dass mir jemand betrunken irgendeine Zusage gibt. Ich sehe mich gar nicht als Schauspieler, kann maximal mich selber spielen oder etwas, das mit mir sehr verwandt ist. In einer "Tatort"-Szene musste ich weinen, eine Schauspielerin gab mir tausend Tipps – ich meinte: "In der Szene davor schneide ich Chili – das sollte reichen."

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Sie sind ja Duisburger, leben seit 1988 in Wien und müssen sich ständig zum speziellen Verhältnis der beiden Länder verhalten. Nervt das nicht auf Dauer?
Es hat mich schon irgendwann zu nerven begonnen, weil es so beidseitig ist. Irgendwann habe ich akzeptiert, dass die vom diplomatischen Corps zwar auch da sind, aber dass ich der deutsche Botschafter bin. Die gehen nach vier Jahren wieder, ich bleibe.

Singen, reden und tanzen

Und was passiert nun am Samstagabend im Lustspielhaus?
Ich halte die Brautrede auf der Hochzeit meiner Tochter, zu der ich aber nicht eingeladen bin. Ich bin also allein, halte trotzdem die Rede und singe und tanze und rede und trinke. Im Gegensatz zu Josef Hader trinke ich wirklich Alkohol auf der Bühne.

Hader nicht?
Der tut doch immer nur so, als würde er Rum trinken. Ich tue nicht so. Weil ich kein Schauspieler bin.


Lustspielhaus, Samstag (ausverkauft), wieder am 7. Oktober

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