Immer weniger Veranstaltungen
Andreas Schessl, der Inhaber von Münchenmusik, musste nach zwei Konzerten einen ausverkauften Beethoven-Zyklus mit den Wiener Philharmonikern im Gasteig abbrechen. Wenn das Konzert mit reduzierter Besucherzahl erlaubt worden wäre, hätte er nur die Blöcke A bis J im Gasteig geöffnet und die übrigen Besucher nach Hause geschickt.
Derzeit herrscht in München bei den Konzerten Hochsaison. Münchenmusik muss nun bis zum Ende der Osterferien 79 Konzerte absagen, darunter in München zwei Aufführungen von Bachs „Matthäuspassion“ und diverse Gastspiele internationaler Orchester im Gasteig. Das führt allein zu sechsstelligen Kosten nur für stornierte Hotels. Schessl spricht von Verlusten zwischen 25 000 und 80 000 Euro pro abgesagtem Konzert. Versichert ist er nicht, und wenn er es wäre, würde es ihm auch nichts nutzen, weil man sich nur gegen bekannte Gefahren versichern kann, nicht aber gegen ein neuartiges Virus.
"Rührend solidarisch"
Die Wiener Philharmoniker und der Dirigent Andris Nelsons hätten auf den Abbruch des Gastspiels „rührend solidarisch“ reagiert. Nachgeholt können die Konzerte wegen des engen Terminplans des Orchesters nicht. Schessl plant Verschiebungen derzeit nur bei Verstaltungen mit lokalen Künstlern, die nicht extra anreisen müssen. Saalmiete braucht er nicht zu bezahlen, da der Gasteig seine Leistung ebenfalls nicht hätte erbringen können.
Schessl ging bis gestern nachmittag davon aus, dass kleinere Konzerte mit maximal 1000 Besuchern weiter stattfinden könnten. Das ist mit einer neuen Verfügung aus dem Gesundheitsministerium vorbei. Die von der Bundesregierung angekündigten Hilfen für den Musikbetrieb würden ihn zwar freuen. Aber Schessl ist als mittelständischer Unternehmer da skeptisch. „Ich habe das ungute Gefühl, auf mich allein gestellt zu sein“, sagt er.
Wichtig sei es, in den nächsten Wochen die Verbindung zu den Kunden nicht abreißen zu lassen. Sein Kartenbüro habe derzeit 4000 Anrufe täglich zu bewältigen – normalerweise sind es um die 500. Fast alle Kunden reagieren verständnisvoll, manche verzichteten auf die Rückzahlung, aber nach der Absage der Wiener Philharmoniker kamen auch Anwaltsbriefe.
Unklare Informationen
Schessl sagt, es sei für ihn schwierig, die Kunden korrekt zu informieren. Eine Meldung in der Presse sei eben nicht identisch mit der juristisch sicheren Allgemeinverfügung, die bis gestern von Staat und Stadt eher zögerlich erlassen wurden. Schessl, der nicht nur in München, sondern in ganz Deutschland und in der Schweiz Konzerte veranstaltet, lobt ausdrücklich Dresden für klare Informationen.
Die Musikalische Akademie des Bayerischen Staatsorchesters wird am Montag ab 20 Uhr auf staatsoper.tv als Livestream ins Internet übertragen. Igor Levit, der Solist des Konzerts, spielt seit gestern unter @igorpianist – immer wenn er dafür Zeit hat – um 19 Uhr auf Twitter „Was auf dem Programm steht? Das weiß ich noch nicht. Mal gucken. Es ist ein Experiment. Social Media Hauskonzert. Bis wir uns alle wieder gemeinsam, real, nah beinander, versammeln und Kunst erleben können. Also, heute 19 Uhr. Ich freue mich auf Euch“, schrieb er.
Das Literaturhaus sagt bis 19. April alle öffentlichen Abendveranstaltungen ab. „Wir glauben, damit im Interesse unseres Publikums und aller Beteiligten zu handeln“, heißt es in einer Mitteilung. Die geplante Ausstellung „Thomas Mann: Democracy will win!“ wird nach aktuellem Stand dennoch ab 28. März 2020 geöffnet sein. Auch die Buchhandlung Lehmkuhl sagt ihre Lesungen bis zum Ende der Osterferien ab. Bereits erworbene Karten für die betreffenden Veranstaltungen können ab sofort zurückgegeben werden. Auch das Lyrikkabinett sagt alle Lesungen ab.
Das Team des DOK.fest München arbeitet unter Hochdruck an der Frage, wie das Dokumentarfilmfestival im Mai stattfinden kann. „Wir prüfen die Möglichkeiten, dass es regulär stattfindet, dass es auf einen späteren Zeitpunkt verlegt wird – und insbesondere prüfen wir die Option eines Online-Festivals“, heißt es in einer Mitteilung.
Die Osterfestspiele fallen aus
In Salzburg werden die Osterfestspiele abgesagt. Sie hätten am Samstag vor Palmsonntag mit einer Neuinszenierung von Verdis „Don Carlo“ mit der Staatskapelle Dresden unter der musikalischen Leitung von Christian Thielemann beginnen sollen. In Österreich gilt eine verschärfte Regelung, die Veranstaltungen unter 100 Besuchern untersagt. Auch die Chefin der Bayreuther Festspiele, Katharina Wagner, bekommt die Auswirkungen des Coronavirus zu spüren. Die Premiere ihrer „Lohengrin“-Inszenierung in Barcelona kann nicht wie geplant kommende Woche stattfinden, wie das Gran Teatre del Liceu mitteilte. Das Theater stellt seinen künstlerischen Betrieb bis zum 26. März ein. Die erste „Lohengrin“-Aufführung ist laut Homepage derzeit noch für den 28. März geplant.
In Dresden pausieren die Semperoper und das Staatsschauspiel zunächst bis 19. April. Die Museen in der Stadt sollen vorerst grundsätzlich geöffnet bleiben, aber besondere Hygienemaßnahmen ergreifen. Auch in Hamburg wurden alle Veranstaltungen in staatlichen Theatern und Konzerthäusern bis Ende April per Erlass untersagt. Damit fallen von Freitag an alle Veranstaltungen in der Elbphilharmonie, der Laeiszhalle, an der Hamburgischen Staatsoper, am Deutschen Schauspielhaus, am Thalia-Theater und auf Kampnagel aus.
Mit einem Meter Abstand
Aber es gibt auch Veranstalter, die nicht aufgeben: Die Konzerte von Bavaria Klassik und den Residenz-Solisten finden wie geplant statt. „Die Kapazität unserer Konzertsäle liegt unter 500 Personen, daher sind die Konzerte von den behördlichen Anordnungen nicht betroffen“, heißt es in einer Mitteilung. „Die Gesundheit unserer Gäste ist uns wichtig, daher lassen wir in jedem Saal ab sofort zwischen den von einem Gast gebuchten Plätzen und den Nachbarn einen Sitzplatz frei, um einen Abstand von einem Meter zu erlangen.“
Museen sagen zwar Veranstaltungen und Vorträge ab. Die Ausstellungen aller staatlichen und städtischen Museen in München bleiben aber bis auf Weiteres geöffnet.