Kritik

Im TamS geht bei „Rivka“ von Judith Herzberg manches schief

Das Stück erzählt von einem jüdischen Paar, das sein einziges Kind zu Pflegeeltern gibt, um es zu schützen. Warum die Aufführung nicht wirklich überzeugt
Anne Fritsch |
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Irene Rovan und Helmut Dauner in „Rivka“.
Irene Rovan und Helmut Dauner in „Rivka“. © Gabriela Neeb

Zwei Menschen befinden sich in einer alles verändernden Situation: Gerade haben sie ihre kleine Tochter, Rivka, einer fremden Frau mitgegeben. Ob sie sie jemals wiedersehen, ist ungewiss. Erna und Jacob sind wohl jüdisch, auch wenn das in Judith Herzbergs Stück „Rivka“ nie ausgesprochen wird.

Überhaupt lässt die niederländische Dramatikerin, die den Holocaust als Kind selbst bei nichtjüdischen Pflegeeltern überlebte, vieles unausgesprochen. „Das Stück spielt an einem Ort“, stellt sie dem Text voran. Und: „Die Zeit: zwei Tage, 1942.“ Herzberg hält die Situation in den Dialogen bewusst im Vagen, will sie überzeitlich verstanden wissen, schließlich müssen auch heute Menschen fliehen und alles zurücklassen.

Es bleibt also der Regie überlassen, wie konkret sie diese Geschichte verorten will. Sophie Wendt hat das Stück nun im TamS inszeniert. Und die Bühnen- und Kostümbildnerinnen Claudia Karpfinger und Katharina Schmidt haben sich für eine so zeitlose Ästhetik entschieden, dass man sie auch nichtssagend nennen könnte.

Wenig Emotion zwischen den Darstellern

Auf der Bühne befindet sich ein Podest mit vielen Bodenklappen, aus denen später alle möglichen Dinge, Kleider und Taschen auftauchen werden. Vorerst aber stehen zwei Stühle darauf, auf die sich Irene Rovan und Helmut Dauner setzen und ins Leere schauen. Sie trägt Blümchenkleid und Armstulpen, er eine schlecht sitzende braune Strickjacke. Schon optisch passen sie nicht recht zusammen, und auch sonst will sich im Laufe des Abends bemerkenswert wenig Emotion zwischen den beiden einstellen.

Irene Rovan und Helmut Dauner in „Rivka“.
Irene Rovan und Helmut Dauner in „Rivka“. © Gabriela Neeb

Nun hält der Text in seinem Hang zur Andeutung und zum Unausgesprochenen sein Publikum ohnehin ein wenig auf emotionalem Abstand. Doch fordert er Regie und Ensemble genau dadurch heraus, die Lücken des Gesprochenen zu füllen, das Unsagbare in Bilder und Gesten zu fassen.

Wir sehen hier zwei Menschen vor den Trümmern ihrer Existenz: Ihre Tochter ist bei Fremden, sie selbst packen für eine Flucht, von der sie nicht wissen, wohin sie sie führen wird. In so einer Situation nun könnte ein Paar sich aneinander festhalten oder auch aneinander verzweifeln, die beiden könnten Halt suchen im anderen oder wütend werden auf einander.

Irene Rovan und Helmut Dauner in „Rivka“.
Irene Rovan und Helmut Dauner in „Rivka“. © Gabriela Neeb

Hier aber ist kaum Emotion zu spüren. Die beiden auf der Bühne packen Taschen ein und aus, ohne dass sich ihre Not wirklich erzählt oder eine Entwicklung spürbar ist. Zwischen dem ersten und dem zweiten Tag der Handlung werden auf die Bühnenrückwand „Ratschläge für ursprüngliche Eltern“ projiziert, ganz wie von der Autorin gewünscht.

Schmerz, der nicht greifbar wird

„Ihr Kind ist sicher“, steht da. „Besuchen Sie es nicht. Rufen Sie es nicht an.“ In diesen sachlich-kühlen Sätzen, die empfehlen, nichts aufzubewahren, was an das Kind erinnert, „alle Beweise“ seiner Existenz zu vernichten und mit niemandem über das Kind zu reden, liegt all der Schmerz, der auf der Bühne nicht greifbar wird.

Irene Rovan und Helmut Dauner in „Rivka“.
Irene Rovan und Helmut Dauner in „Rivka“. © Gabriela Neeb

Dass Irene Rovan und Helmut Dauner altersmäßig nicht ganz die ideale Besetzung für ein junges Elternpaar sind, macht es nicht einfacher, sich in die Situation einzufühlen und einzufinden. Dass Dauner in der besuchten Vorstellung enorme Textschwierigkeiten hatte und ständig auf Unterstützung der Souffleuse angewiesen war, machte es leider nahezu unmöglich, sich auf die Geschichte einzulassen.

Wieder am 26., 27. und 29. November sowie am 6., 10., 11. und 12. Dezember um 20 Uhr in der Haimhauserstr. 13 a. Karten bei Münchenticket. Die Rezensentin besuchte die Vorstellung vom 19. November

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