Henry Mason inszeniert "Die Komödie der Irrungen" von Shakespeare als Revue
Mal gibt es verkopftes deutsches Regietheater wie Stephan Kimmigs mauen „Clavigo“ nach Johann Wolfgang von Goethe oder Peter Konwitschnys fulminante Neuerfindung der Rihm-Oper „Die Eroberung von Mexiko“. Aber dem Herzen des Salzburger Interims-Intendanten Sven-Eric Bechtolf steht die solide Handwerkskunst des Theaters britischer Prägung näher. Und das Publikum mag’s sowieso.
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Bei Mozarts „Figaro“ ist Bechtolf vorige Woche mit sinnfreiem Glätte ziemlich baden gegangen. Nun setzt der österreichisch sozialisierte Neuseeländer Henry Mason für die „Komödie der Irrungen“ die Pernerinsel unter Wasser. Da passt dieser Theater-Antiintellektualismus bedeutend besser: Denn der frühe William Shakespeare ist eine Klamotte über zwei Zwillingspaare, die ständig verwechselt werden.
Shakespeare als Zirkus
Das sorgt für Verwirrungen, die nur auf der Bühne wirken. Wer versucht, die hemmungslos unwahrscheinliche Geschichte nachzuerzählen, könnte vom Gegenüber leicht für verrückt gehalten werden, weil er sich so etwas für Geld im Theater anschaut.
Daher nur so viel: Ein Ehemann wird zu Hause ausgesperrt, weil sein Zwilling drinnen zu Abend speist. Ein Goldschmied (Alexander Jagsch) händigt teures Geschmeide aus. Doch der Kunde behauptet keine zwei Minuten später, er habe die Ware nicht erhalten. Unschuldige Überbringer schlechter Nachrichten werden nach allen Regeln der Kunst verprügelt.
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Dazu macht es Tsching auf dem Becken: Mason hat diesen William Shakespeare in einen Zirkus verlegt. Die Schauspieler müssen aufs Trapez und einen fragilen Turm aufgeschichteter Stühle. Thomas Wodianka und der wackere Florian Techtmeister spielen die vier Zwillinge jeweils als Doppelrolle: Das sorgt für rasante Tempowechsel, wenn der falsche Ehemann zu Hause sitzt und der echte sich währenddessen im Rotlichtmilieu vergnügt.
Ein Ende im Regen – mit Plastikschürzen für die erste Reihe
Aber beide Herren sind keine echten Virtuosen, wie sie Münchner Bühnen im Ensemble hätten. Da ist schade. Denn die „Komödie der Irrungen“ enthält gefährliche Untertöne über den Verlust und die Auflösung von Identität. Sie müssten halt dargestellt werden, bleiben der Besetzung mit überwiegend freien österreichischen Schauspielern freilich verschlossen.
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Leider. Dafür wird gesungen („Strangers in Paradise“), mal recht gut (Karola Niederhuber), mal weniger. Gegen Ende tritt eine Dame auf, deren Stimme an Sunnyi Melles erinnert. Wenn die mitgespielt hätte, wäre die Familienzusammenführung am Ende absurd rührend geworden. Und weil wir schon beim Wünschen sind: Was hätten Bechtolf selbst oder gar Nikolaus Bachler aus dem undurchsichtig fiesen Herzog von Ephesus gemacht!
Ersatzweise trägt man nette bunte Kostüme aus den Sechzigern. Das Ende lahmt, weil Mason zum Auftritt des Exorzisten nicht viel mehr eingefallen ist als die gute alte lustige Zwangsjacke. Und wenn der eine Zwilling sein Asyl im Kloster findet, wäre weniger Respekt vor Shakespeares Text ein Gewinn gewesen.
Stadttheater zu Festspielpreisen
Es ist eine nette, durchaus amüsante Revue. Zum Finale dreht der Regisseur die Sprinkleranlage auf. Wer in der ersten Reihe saß, bekam vorher eine Plastikschürze. Aber warum das Stück wirklich am Wasser spielt und weshalb die Manege irgendwann aufklappt, sollte man besser nicht fragen.
Masons Übersetzung holpert und stolpert zwischen Versen und moderner Sprache. Auch hier gilt: Mit 20 Prozent deutschem Regietheaterwahnsinn und ein paar Stars als Turbolader beschleunigt, wäre der Abend umwerfend. So ist es solides Linzer Stadttheater zu Festspielpreisen.
Perner-Insel, 3., 5., 6., 8., 9., 11., 12., 15., 17., 19. und 22. August, 19.30 Uhr. Infos und Karten unter www.salzburgfestival.at