Helene Bockhorst im Lustspielhaus: Über Sex, Therapie und die Ehrlichkeit von Babys
Tickt Helene Bockhorst etwa anders als alle anderen? Mit Freunden hat sie sich während einer der Lockdowns zum Video-Meeting getroffen. Die Frage kam auf, worauf man sich nach dem Lockdown am meisten freut, was man als Erstes machen möchte. Der eine wollte zum Konzert, der andere zum Fußballspiel. Und sie fragte sich: "Kann es sein, dass ich die Einzige bin, die einfach nur bumsen will?"
"Der erotischste Traum aller Zeiten" spielt im Fahrstuhl
Wenn es bei Bockhorst um Sex geht - und es geht bei ihr oft um Sex -, dann verwendet sie mit Vorliebe das Wort "bumsen". Was etwas Old-School klingt, nicht knüppelhart, sondern weich, nicht dramatisch, sondern leger. Also, nach etwas, was man halt so macht, wenn beide Bock haben. Dass sie wegen der Pandemie ihre Lust zügeln musste, macht Bockhorst mit der Erzählung eines Traums klar. Da stand sie - ohne Mundschutz! - in einem Fahrstuhl. Ein Mann kam dazu - ohne Mundschutz! Sie fuhren zwei Stockwerke zusammen, bis er ausstieg. Das war alles. Aber: "Es war der erotischste Traum aller Zeiten."
Bockhorsts Auftritt erinnert an Woody Allens frühe Zeiten
Sex als kabarettistischer Inhalt hat eher Seltenheitswert, in der Stand-up-Comedy gehört er zum Standard. Erlebt man zwei Stunden Helene Bockhorst im Lustspielhaus und versucht, sie irgendwie einzuordnen, muss man am ehesten an die angloamerikanische Tradition denken, vielleicht ja sogar an Woody Allen, und zwar den Stand-up-Woody aus längst vergangenen Tagen, der auch immer nur an das eine dachte und seine Neurosen zum Ausgangspunkt für manche Pointe nahm.
Wenn die Patientin ihre Therapeutin nicht in Rente gehen lässt
Über ihre Depressionen hat Bockhorst nie einen Hehl gemacht, sondern darüber ein Buch geschrieben. Zudem erzählt sie auf der Bühne ganz offenherzig von ihrer Therapeutin. Die wollte in Rente gehen, aber zuvor noch ihre angefangenen Patienten "zu Ende bringen". Für Bockhorst ist das ein triftiger Grund, immer weiter von sich und ihren Problemen zu erzählen, vielleicht ja auch Dinge zu erfinden, damit der Ruhestand der Zuhörerin sich immer weiter nach hinten verschiebt. Ja, die Komikerin kann auch ein Quälgeist sein. Es gibt keine Heilung, keine Erlösung, für Patientin und Therapeutin nicht, und man freut sich über solche Gemeinheiten, weil das eigene Leben ja auch irgendwie die Hölle ist.
Nach der Scheidung: Eine offene Beziehung?
Vom Look her hat die 34-Jährige etwas Paradiesisches an sich, ihr Ganzkörperkostüm bis hin zu den Leggings sitzt so hauteng, dass es wie eine zweite Haut wirkt. Es sieht freizügig aus, und auch beim Erzählen macht sie sich nackig: "Die Bekenntnisse der Hochstaplerin Helene Bockhorst" heißt das neue Programm, und es ist schwer auszumachen, wo die harte Wahrheit aufhört und der Schwindel beginnt. Was soll man daraus machen, wenn Bockhorst von ihrem gar nicht witzigen Verhältnis zu ihren Eltern erzählt? Oder dass sie seit kurzem geschieden ist, aber schon einen neuen Freund hat, der ein bissel asexuell ist und eine offene Beziehung okay findet, solange Bockhorst nichts mit seinem Vater anfängt?
Die Ehrlichkeit von Babys beeindruckt die Stand-up-Comedienne; wäre ja schön, wenn man auch als Erwachsener so ohne Lug und Trug sein könnte. Wie ein Baby das Gesicht verzieht, wenn ihm was nicht schmeckt, macht Bockhorst vor und entwickelt daraus einen ihrer Running Gags, mit denen sie den Abend strukturiert. Ansonsten schwebt sie durch ihre Themen - darunter zum Beispiel: Sex - und stapelt tief, wenn sie behauptet, dass sie nicht tanzen, nicht singen, ja, gar nichts außer Reden kann. Denn ihr einstudierter Vortrag ist ja schon sehr viel, dazu die gekonnten Improvisationen im Kontakt mit dem Publikum. Bockhorst ist ganz bei sich, man ist ganz bei ihr und heiter zusammen.
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