Interview

Helene Bockhorst: "Ich hatte sehr großes Glück"

Die Kabarettistin und Autorin Helene Bockhorst gastiert mit ihrem neuen Programm im Lustspielhaus.
von  Thomas Becker
Die 34-jährige Kabarettistin und Autorin Helene Bockhorst aus Hamburg debütierte mit dem Roman "Die beste Depression der Welt".
Die 34-jährige Kabarettistin und Autorin Helene Bockhorst aus Hamburg debütierte mit dem Roman "Die beste Depression der Welt". © pa/obs SWR/Sascha Moll

"Die Bekenntnisse der Hochstaplerin Helene Bockhorst" heißt das zweite Solo-Programm der gebürtigen Norddeutschen, die gerade mit dem Kleinkunstpreis Baden-Württemberg ausgezeichnet wurde. Ein Gespräch über Depression, Tabus und die Frage, was man bloß mit einem 1,0er-Abi anfangen soll.

AZ: Frau Bockhorst, wann wurde Ihnen klar: "Verdammt, ich bin depressiv! Ich brauche professionelle Hilfe!"
HELENE BOCKHORST: Dass ich irgendwas habe, wusste ich schon in meiner Kindheit und Jugend, ich hatte nur keine Bezeichnung dafür. Während meines Studiums ging es mir so schlecht, dass ich sterben wollte, aber ich habe es nicht hinbekommen. Ich hatte mehrere gescheiterte Versuche hinter mir und habe gedacht: Das kann doch nicht so schwierig sein, also entweder bin ich wahnsinnig dumm, oder es gibt da doch einen Teil in mir, der leben will. Deswegen bin ich dann zu Ärzten und Therapeuten gegangen. Dass ich alle Symptome einer schweren Depression hatte, habe ich erst da erfahren, vorher dachte ich, das Leben wäre einfach so.

Depression bedeutet ja oft Antriebslosigkeit: Wie schaffen Sie es immer wieder, die zu überwinden und monatelang dieses On-the-road-Tour-Leben zu leben?
Antriebslos zu sein ist ja zum Glück eine ortsunabhängige Tätigkeit, das schaffe ich auch unterwegs.

"Inzwischen kann ich ohne Zwischenfälle auf die Bühne gehen"

Die Angst vor jedem Auftritt: Ist die immer noch da?
Ja, ich bin vor jedem Auftritt aufgeregt und habe Angst. Anfangs musste ich mich vor Auftritten manchmal übergeben, insofern sehe ich es als großen Fortschritt, dass ich inzwischen nachmittags noch was essen und dann ohne Zwischenfälle auf die Bühne gehen kann. Und es ist auf jeden Fall besser, als gar nichts zu fühlen.

Was für ein Gefühl war das nach dem ersten Mal Bühne? Weicht da die Depression mal kurz der Euphorie?
Nach meinem ersten Auftritt hatte ich das Gefühl, ich habe zu jedem im Raum eine Verbindung. Diese Leute haben gesehen, wer ich bin und mochten mich trotzdem. Das hat schon gut getan. Ich würde die Depression in solchen Momenten mit einem drückender Schuh vergleichen. An den denkt man ja auch nicht in jeder Sekunde, aber er ist trotzdem da.

"Ich finde Kunst nur interessant, wenn sie aus dem Innersten kommt"

Die eigene Depression auf der Bühne und auch zum Roman-Thema zu machen: Ist das Teil der Therapie?Wenn das so wäre, könnten die Krankenkassen ordentlich Budget sparen und einfach jeden Depressiven auf die Bühne schicken... Ich würde eher sagen, dass meine Therapie mich dazu befähigt, meine Arbeit zu machen, und die besteht aktuell im Schreiben und Auftreten. Dass ich dabei auch therapeutische Themen aufgreife, liegt daran, dass ich Kunst nur dann interessant finde, wenn sie aus dem Innersten kommt.

Sie machen sich auf der Bühne zur öffentlichen Person. Gibt es Tabu-Themen für Sie? Oder gar keine Privatheit?
Es gibt eine Menge Dinge, die ich nie erzählen würde oder wo ich nicht ins Detail gehe, weil ich finde, dass das die Leute nichts angeht, oder weil es sie unnötig verwirren würde. Dafür kann ich aber jetzt natürlich keine Beispiele nennen.

"Ich habe Privilegien, die viele Leute nicht haben"

Auf Ihrer Website haben Sie ein paar fiese Social-Media-Kommentare über Sie zitiert. Gibt es nicht aber auch Feedback von an Depression Erkrankten, die in Ihnen ein Vorbild, eine Heldin mit Superkräften sehen?
Ja, die gibt es. Ich versuche meistens, denen den Kopf ein bisschen zurechtzurücken. Denn es kann ja auch Druck machen und dafür sorgen, dass sich Leute unrealistische Ziele setzen, wenn sie denken: "Oh, die ist auch betroffen, steht aber jeden Abend auf der Bühne!" Man darf nicht vergessen, dass ich einfach sehr großes Glück hatte: Ich habe schnell eine Therapeutin gefunden, mit der es gut funktioniert hat. Viele brauchen Jahre, um jemanden zu finden, der ihnen helfen kann. Und ich habe das Glück, dass ich die Therapie als Selbstzahler fortführen kann, auch über den Zeitraum hinaus, den Krankenkassen für eine handelsübliche Genesung veranschlagen. Zudem habe ich ein Umfeld, in dem ich vieles nach meinen Vorstellungen gestalten kann. Das sind Privilegien, die viele Leute nicht haben.

Hatten oder haben Sie Helden aus dem komischen Fach?
Nein, überhaupt nicht. Ich hatte als Kind keinen Fernseher und habe erst ziemlich spät herausgefunden, dass es Comedy gibt. Die meisten bekannteren Kollegen habe ich das erste Mal gesehen, als ich mit ihnen zusammen aufgetreten bin, daher hielt sich meine Ehrfurcht in Grenzen. Und auch wenn ich manche ganz gerne mag, würde ich sie nie als Helden oder Vorbilder bezeichnen. Unterschiedlichen Leuten fallen unterschiedliche Sachen leicht, und ich beschäftige mich lieber damit, was ich selbst machen möchte, als anderen nachzueifern.

Und warum zur Hölle haben Sie mit einem 1,0 Abi ausgerechnet Kommunikationswissenschaft studiert?
Das wüsste ich ehrlich gesagt auch gerne.


Helene Bockhorst spielt am 25. März um 20 Uhr im Lustspielhaus

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