GOP-Varietétheater: Kein Schatten ohne Licht
München - Sätze wie diesen hört man unter Bühnenkünstlern zur Zeit selten: "Wir hatten vier schöne Wochen" bilanzierte Werner Buss, Kreativdirekter der sieben GOP-Varietétheater, bei einem Pressetermin vor der Münchner Premiere des Herbstprogramms. Gemeint war die Zeit nach der Wiedereröffnung des Hauses mit der Show "Bang Bang", mit der der Betrieb seine Pandemietauglichkeit bewies. Unter den 70 Shows, die bisher am Max II liefen, ist nun "Sombra" ein ganz besonderes Schmuckstückchen.
Es geht um "Dualität", eine Begrifflichkeit, die im Umfeld von Varieté eher selten zu finden ist. Wie das gemeint ist, verrät bereits der Titel: Er ist das spanische Wort für "Schatten", und der entsteht nur dort, wo auch Licht ist.
Gegensätze wie hell und dunkel oder männlich und weiblich werden von einer ebenso sympathischen wie hochklassigen Artistentruppe in traumhaften Szenen umspielt. Nicht zuletzt wird auch über den Gegensatz von Individuum und Gesellschaft nachgedacht.
Fragen stehen im von sensationellem Lichtdesign (Daniel Hensche) illuminierten Raum wie "Wer bin ich?" und "Wer will ich sein?". Das aphoristische Geraune, das dieser Gedankenstrom in Gang setzt, ist wohl nicht zu vermeiden. Marc Aurel, römischer Kaiser im zweiten Jahrhundert, wird zitiert mit "Dein Leben ist, was Deine Gedanken daraus machen" wie auch Christoph Maurys Satz "Wir sind besonders und darin sind wir gleich". Der deutsch-französische Wissenschaftler passt freilich gut in das Konzept von der Dualität, denn er ist sowohl Astrophysiker als auch Tiefseeforscher.
Duales zwischen laut und leise, elektronisch und akustisch, ist auch mit der Musik zur Show zu hören, die Regisseur Nikos Hippler selbst produzierte. Zur Bühnenmusik gehören daher ebenso die mit harten Beats vorantreibenden Sounds aus dem Rechner wie die von Wolfgang Stute live gezupften Gitarren.
Der entspannte 69-jährige Saitenvirtuose mit dem weißen Wallehaar ist auch visuell ein weiterer Gegensatz zu dem sehr jungen zehnköpfigen Ensemble.
Mit Diabolos und LED-Lichtstäben malt Akira Fukagawa faszinierende Farben und Formen in die Luft. Die Equilibristin Laura Picard hingegen verblüfft nicht nur mit Körperlichkeit jenseits aller Orthopädie, sondern ist auch noch hinreißend witzig. Hohe Qualität als Komiker hat gleichfalls Mikail Karahan, der überzeugend und clownesk vorspielt, dass der Cyr, der große Reifen, ihn beherrsche und nicht umgekehrt.
Elegant bis leicht lasziv ist der eigentlich muskelbepackte Männer erfordernde Umgang mit dem Pole bei Helena Lehmann. Ähnlich starke Sinnlichkeit verströmt die Duo-Akrobatik von Majo Cazares und Diego Selles zum Finale, die das Premierenpublikum überwältigt feierte.
GOP-Varietétheater, bis 1. November, Mi bis Fr 20 Uhr, Sa 17.30 und 21 Uhr, So 14 und 18 Uhr, Karten unter % 210288444
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