Ringsgwandl-Revue im Cuvilliéstheater Funkelnder Rohdiamant

Georg Ringsgwandl hat Lola Montez im Cuvilliéstheater eine Revue geschrieben und spielt Ludwig I.
von  Mathias Hejny
Antonia Münchow ist als singende Lola Montez eine Sensation.
Antonia Münchow ist als singende Lola Montez eine Sensation. © Birgit Hupfeld

Beinahe wäre die Uraufführung zum dritten Mal geplatzt, aber dieses Mal nicht wegen Corona. Intendant Andreas Beck unterrichtete vor der Vorstellung das Publikum über einen Halskatarrh der Titeldarstellerin und wünschte sich, es werde nichts passieren in der Hoffnung, dass, eben weil er darüber sprach, nichts passieren wird. Dann passiert doch etwas, denn Antonia Münchow ist sogar indisponiert als Lola Montez eine Sensation. Ob als Soul-Queen mit mächtigem Organ, ob als souveräne Pop-Fee oder listiges Luder mit lustigen Liedern findet sie den richtigen Ton.

Wo es zu leichten Brüchen in der Stimme kam, passt das zum improvisierten Charakter des ganzen Projekts. "Lola M." stand bereits als "abenteuerliche Oper" für die erste Saison der Intendanz Becks auf dem Spielplan. Wie schon sein "Ludwig II. - Die volle Wahrheit" es 1989 in den Kammerspielen war, plante Georg Ringsgwandl auch die Liebesgeschichte vom ersten Ludwig, dem Großvater des "Märchenkönigs", als opulente Wittelsbacher-Sause mit vielen schrägen Gestalten und großer Choreografie. Was jetzt im Cuvilliéstheater zu sehen und zu hören ist, wird bescheiden als "konzertante Aufführung" angekündigt und enthält in knapp 100 Minuten vor allem die 26 Songs.

Schauspielerei gehört nicht zu den Kernkompetenzen des Multitaskers

Das Libretto mit mehr skizzierenden als erzählenden Texten für die Übergänge kennt das Ensemble in einer finalen Fassung dem Vernehmen nach erst seit Beginn der Endproben. Auch am Premierenabend wurde unter einer monströsen Königskrone (Bühne: Volker Hintermeier) noch gelegentlich vom Blatt gespielt. Aber das scheint für die Bühnenkünstler kein Problem zu sein, sondern eine beflügelnde Herausforderung. Nicola Mastroberardino ist Lolas Zofe wie auch Ludwigs Hofschneider und dessen Hoffriseur. Noah Saavedro spielt sowohl den am Hofe für das Finanzielle zuständige Baron von Heideck als auch den Leutnant Nussbammer, den sich Lola als Toyboy hält.

Die kleinen Pannen überspielten die beiden so elegant, als wären es wochenlang geprobte Regieeinfälle. Für die ist gleichfalls Georg Ringsgwandl zuständig, der nicht nur die Musik und die Texte schrieb, sondern auch sein Werk selbst inszenierte. Der 73-Jährige hat auch den Part des 66-jährigen Ludwig I. übernommen. Von Münchow, Mastroberardino und Saavedra lässt er sich allerdings an die Wand spielen, denn die Schauspielerei gehört nicht zu den Kernkompetenzen des Multitask-Künstlers.

Zauberhaft und unangestrengt

Dann und wann setzt sich Seine Königliche Hoheit ans Pianoforte, um kleine Lieder wie über seine Schwerhörigkeit oder seinen Überdruss an der Macht ("Der Brunnenesel von der Residenz") zu singen. Geradezu hitverdächtig ist das Ensemble-Lied, in dem Seine Majestät seine Liebe zur schönen Tänzerin besingt: Er ist "so oid und so damisch, sie so gut beieinand. Das ghört zamm!" Die musikalische Leitung allerdings hat Roman Sladek, außerhalb des Theaters der Mastermind der Münchner Jazzrausch Bigband. Seine "Lola"-Combo ist eher eine Rockformation mit knackig trockenem Sound, erweitert um ein Bläserinnenduo.

Ringsgwandl komponierte für die Lovestory zwischen dem alten König und der erst 25-jährigen Lola Montez, die in Wirklichkeit nicht aus Spanien kam, sondern aus Irland, in Indien aufwuchs und mit ihren Vorstellungen von einem selbstbestimmten Leben die Männer das Fürchten lehrte, einen vogelwuiden Stilmix. Auf das Zauberhafteste und völlig unangestrengt finden Instrumente wie die zarte alpenländische Zither und das Hochdruck-Gebläse einer mexikanischen Mariachi-Trompete in die gleiche Show. Vielleicht sollte man dieses pandemiewunde Trashical nicht, wie man einst geplant hatte, zum großen Musiktheater auszubauen, sondern es einfach so struppig lassen wie es ist.

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