Französische Konkurrenz für die "Salome" von Richard Strauss

Wie der Jubilar hat sich ein gewisser Antoine Mariotte fast zeitgleich an eine „Salomé“-Oper gemacht. Bei der Münchner Erstaufführung an der Theaterakademie führt Baláz Kovalik Regie
Birgit Gotzes |
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Eine „Salomé“ kündigt die Bayerische Theaterakademie als nächste Premiere an. Was nicht weiter überrascht – 2014 ist Richard-Strauss-Jahr. Doch der Akzent am Schluss lässt stutzen. Und tatsächlich ist diese „Salomé” nicht von Strauss. Sie stammt von einem Zeitgenossen des Jubilars, dem französischen Komponisten Antoine Mariotte (1875-1944), der selbst in Frankreich kaum noch bekannt ist. Wir sprachen mit Balász Kovalik, dem Regisseur der Münchner Erstaufführung.

AZ: Warum sollte man sich diese zweite „Salomé” ansehen?

BALÁSZ KOVALIK: Weil Mariotte ein tolles Stück Musiktheater komponiert hat, das zu Unrecht vergessen wurde. Es ist wunderbar, dass wir es gerade im Strauss-Jahr an der Akademie so gut besetzen können.

Warum wird die Oper denn nicht gespielt?

Mariotte hat wie Strauss das Drama von Oscar Wilde vertont, sich aber leider nicht genug um die Rechte gekümmert. Strauss und sein Verleger Fürstner hatten sich das exklusive Recht für die Vertonung gesichert. Mariotte wurde zuerst nur die Uraufführung zugestanden. Sie fand 1908 in Lyon statt und war ein Erfolg. Romain Rolland hat sich dann vermittelnd direkt an Strauss gewandt, in der Folge wurden weitere Aufführungen möglich. Mariotte hat aber danach nicht die Karriere gemacht wie Strauss. Und seine „Salomé“ geriet ab den 20er Jahren in Vergessenheit.

Wer war denn dieser Mariotte?

Er stammte aus Südfrankreich und ist jung zur französischen Marine gegangen, obwohl er musikalisches Talent hatte. Bis nach China ist er gekommen. Auf einer dieser Reisen bekam er Wildes Stück in die Hand. Er wollte sofort Musik dazu schreiben. Darum hat er die Marine trotz bester Aufstiegschancen verlassen und in Paris bei Widor und d'Indy studiert. Ich glaube, die Melancholie seiner „Salomé” hat auch mit den Weiten des Ozeans zu tun, die er auf seinen Reisen erlebt hat.

Wie würden Sie die Musik der „Salomé“ beschreiben?

Da steht Mariotte ganz in der französischen Tradition. Am ehesten kann man an Debussy denken, an musikalischen Impressionismus. Auch durch die Sprache entsteht eine andere Klangfarbe – Mariotte hat Wildes Original vertont, der dieses Stück ja auf Französisch geschrieben hat.

Was sind die wichtigsten Unterschiede zu Strauss?

Mariotte konzentriert sich ganz auf drei Protagonisten: Salomé, die bei ihm Mezzosopran singt, Hérode und Iokanaan, die beide als Bariton besetzt sind. Viele Figuren, etwa die Herodias, sind bei ihm weit weniger wichtig. Auch der politische Hintergrund, den Strauss von Wilde übernommen hat, spielt bei Mariotte fast keine Rolle.

Wie sieht Mariotte die Titelfigur?

Sie ist ganz ins Melancholische gewendet und keine gelangweilte, hysterische Prinzessin, sondern es wird von Anfang an schmerzhaft klar, dass sie sich nach Erlösung, nach dem Tod sehnt. Was sie tun kann, weiß sie nicht, und so kommt sie auf den Gedanken, sich vielleicht durch Iokanaan von ihrem Leben befreien zu können. Doch sie scheitert. Am Ende bleibt sie deprimiert und leer zurück. Sie hat die Liebe getötet und damit auch ihre eigene Seele. Nun gibt es für sie keinen Ausweg mehr.

Und die beiden Männer?

Wenn Hérode kein dramatischer Buffo ist, wie bei Strauss, sondern Bariton, dann ist er schon durch seine Stimme eine Herrscherfigur von ganz anderer Statur. Iokanaan ist vielleicht der Figur bei Strauss am ehesten vergleichbar. Aber durch die französische Stimm- und Textlinie wird auch bei ihm alles weicher. Und anders als bei Strauss muss er mit sich kämpfen. Wenn er Salomé antwortet, braucht er immer einige Takte. Er ist zwar abweisend, aber es fällt ihm nicht so leicht, nein zu sagen.

Wofür stehen Hérode und Iokanaan?

Diese beiden Männer sind letztlich gar nicht so verschieden. Eher sind sie Teil desselben Systems, in dem sie um die Macht rivalisieren. Eine Welt, die Salomé durch ihre Haltung kritisiert. „Du hast nur deinen Gott angeschaut und nicht mich, sonst hättest du mich geliebt,“ sagt sie bei Mariotte zu Iokanaan. Das ist eine starke Kritik an der Figur, die in Anspruch nimmt, die Moral zu vertreten: Iokanaan hat den Menschen Salomé nicht wahrgenommen.

Hält Mariotte den Vergleich mit Strauss aus?

Auf meinen Spielplan käme sie! Und uns freut es ganz besonders, dass an der Staatsoper im März die „Salome“ von Strauss zu sehen ist. Das Münchner Publikum also die Chance, selbst einen ganz direkten Vergleich zu ziehen.

Premiere Freitag, 28. Februar um 19.30 Uhr im Prinzregententheater, Einführung 18.45 Uhr, wieder am 6. und 8. März, Vorstellung im Rahmen von BR-„Klassik zum Staunen“: 11. März, 19 Uhr

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