"Faust" von Gounod, auf Hochglanz poliert

Salzburger Festspiele: Charles Gounods Oper „Faust“, dekoriert durch Reinhard von der Thannen und dirigiert von Alejo Pérez
Michael Bastian Weiß |
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"Faust" von Charles Gounod im Großen Festspielhaus.
Monika Rittershaus 2 "Faust" von Charles Gounod im Großen Festspielhaus.
Piotr_Beczala und Ildar Abdrazakov in "Faust" von Charles Gounod im Großen Festspielhaus.
Monika Rittershaus 2 Piotr_Beczala und Ildar Abdrazakov in "Faust" von Charles Gounod im Großen Festspielhaus.

Ein dickes „Rien“ prangt zu Beginn auf der weiten Bühne des Großen Festspielhauses. Doch diese Neonröhrenbuchstaben des franzöischen „Nichts“ entpuppen sich schnell als Nebelkerzen.

Denn die Erwartung, hier könnte der Faust-Stoff einmal nihilistisch reduziert erzählt werden, werden nicht erfüllt. Vielmehr ist Reinhard von der Thannens Salzburger Produktion der Oper Charles Gounods so stark von der Ausstattung her gedacht und entwickelt, dass man von einer Inszenierung fast nicht sprechen mag: Die Personenregie ist bestenfalls dünn, die Sänger sind zu häufig auf sich allein gestellt – dies jedoch in einem Bühnenbild, gekleidet in Kostümen und ausgestattet mit Requisiten, die von der Thannen in Personalunion sämtlich hochglanzartig bis geschmäcklerisch realisiert hat.

Die eindrucksvollen Bauten scheinen den poppigen Futurismus der späten 1960er Jahre herbeizuzitieren. Knallbunte Lampenkreise hängen herab. Eine Art mehrfach in sich gespiegeltes Auge erinnert – gerade in Österreich – an das alte ORF-Logo (im Programmheft wird das raumfahrttechnisch erklärt, doch wer kennt schon die Laufbahn der Voyager-Raumsonden?).

Optische Reize ohne viel Inhalt

Der ausgezeichnet tönende wie spielende Philharmonia Chor Wien steckt, kahlköpfig, in hübschen Pierrot-Kostümen und wird oft als geometrische Masse angeordnet, kann aber auch beweglich, etwa in Sternformation, eingesetzt werden. Schließlich rufen die Requisiten manche Publikumsreaktion hervor, etwa die in der Kirchenszene herunterfahrenden stilisierten Orgelpfeifen, die Marguerite zu durchbohren drohen oder die riesige kopflose und unterarmamputierte Skelett-Marionette, die den Soldatenchor begleitet.

Nicht immer freilich sind die Bezüge so dichtgewebt und sinnhaft wie im zweiten Akt das Glitzerkleid des Goldenen Kalbs, das dann den Juwelen des dritten Aktes entspricht. Angesichts dieser vielen optischen Reize erscheint es tragbar, dass sowohl Walpurgisnacht als auch Ballett entfallen.

Ein interessanter Dirigent

Am Pult der Wiener Philharmoniker setzt Alejo Pérez einen Kontrast zur verspielten Bühne. Mit besonnenen Tempi betont er mehr den Ernst der Partitur als deren Leichtigkeit, es ergibt sich eine angenehme Ruhe, eine Stringenz von innen gleichsam, an denen man vielleicht nur die eine oder andere dramatische Stretta vermisst.

Das majestätische, mitunter statuarische Moment überwiegt das geschmeidige, wenn man so will: Gounod wird von dem argentinischen Dirigenten eher deutsch aufgefasst als französisch. So können die Wiener Philharmoniker ihre Reize voll ausspielen, sie nehmen sich der Partitur merklich liebevoll an: satte Streicher mit besonders glühenden Violoncelli und natürlich eine stolze Hörnergruppe ragen heraus, während das Holz hier einmal noch stärkere Akzente setzen könnte.

Umsichtig folgt Pérez den Sängern. Nur einmal würde Maria Agresta als Marguerite mit ihrem lockeren, dabei anrührend leidenschaftlichen Sopran gerne noch ein wenig zarter gestalten und wird daran von einer etwas zu robusten Begleitung gehindert.

Exzellente Sänger

Die Nebenrollen werden sorgfältig ausgelotet: Alexey Markov ist ein Valentin mit kernigem Bariton und Gold in der Stimme, Tara Erraught gibt die Hosenrolle des Siébel mit leuchtendem Sopran und nicht zuletzt ist Marie-Ange Todorovitch eine jugendliche, attraktive Marthe, eine, deren Sinnlichkeit sogar dem Teufel gefährlich werden könnte.

Diesen legt Ildar Abdrazakov als Méphistophélès fast zu balsamisch an, er gestaltet ihn zwar so höhnisch wie komödiantisch, doch seinem Bariton fehlen bisweilen Tiefe wie schwarze Randung.

Die Krone gebührt Piotr Beczala, einer Idealbesetzung des Faust: Das makellos klare Timbre des außergewöhnlich leicht ansprechenden Tenors erinnert an den jungen Nicolai Gedda, wobei Beczalas Organ breiter geformt ist, ohne je die perfekte Kontrolle aufzugeben. Die Spitzentöne erreicht er mühelos und zurückhaltend, kann sie elektrisierend anschwellen und wieder verebben lassen: Das ist echte Gesangskunst – und damit alles andere als Nichts!

Wieder am 14., 17., 20., 23., 26. und 29. August im Großen Festspielhaus, Infos und Karten unter www.salzburgfestival.at

 

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