Eva Löbau über Peter Handkes "Zdenek Adamek"

Am Sonntag wird bei den Salzburger Festspielen das neue Stück von Peter Handke, „Zdenek Adamec“, uraufgeführt. Eva Löbau, zuletzt im Ensemble der Kammerspiele, spielt mit
Michael Stadler |
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Auf den Spuren von Zdenek Adamec: Eva Löbau (im grünen Kleid) spielt in der Uraufführung von Peter Handkes neuem Stück in Salzburg eine, die sich unbedingt an die Fakten halten will. Aber es gibt auch andere Positionen (von links: Hanns Zischler, Nahuel Pérez Biscayart, Christian Friedel, Luisa-Céline Gaffron, André Kaczmarczyk).
Salzburger Festspiele/Ruth Walz Auf den Spuren von Zdenek Adamec: Eva Löbau (im grünen Kleid) spielt in der Uraufführung von Peter Handkes neuem Stück in Salzburg eine, die sich unbedingt an die Fakten halten will. Aber es gibt auch andere Positionen (von links: Hanns Zischler, Nahuel Pérez Biscayart, Christian Friedel, Luisa-Céline Gaffron, André Kaczmarczyk).

Am Sonntag wird bei den Salzburger Festspielen das neue Stück von Peter Handke, „Zdenek Adamec“, uraufgeführt. Eva Löbau, zuletzt im Ensemble der Kammerspiele, spielt mit

Zwischen freier Kunst und Mainstream (mit Niveau) ist bei Eva Löbau der Weg nicht weit. In den letzten zwei Jahren war sie Ensemblemitglied der Kammerspiele. Jetzt ist Eva Löbau bei den ehrwürdigen, in diesem Jahr corona-bedingt abgespeckten Salzburger Festspielen zu sehen: Unter der Regie von Friederike Heller gehört sie zu einem siebenköpfigen Ensemble, das Peter Handkes neues Stück „Zdenek Adamec“ zur Uraufführung bringt. Die Premiere im Salzburger Landestheater ist Sonntag, 20 Uhr.

AZ: Frau Löbau, Peter Handkes Text lässt sich nicht unbedingt gleich beim ersten Lesen verstehen.
EVA LÖBAU: Lesend verstehen vielleicht schon, aber sprechend verstehen nicht unmittelbar. Ich hatte das Stück einmal gelesen, war dann aber zunächst mit der „Wunde R“-Uraufführung von Enis Maci an den Kammerspielen beschäftigt. Nachdem wir das abgespielt hatten, war die erste Leseprobe in Salzburg. Ich erfuhr kurz davor, dass Handke selbst anwesend sein würde. Ich wollte den Text noch mal schnell im Zug durchgehen, um mich zu wappnen – und bin beim Vorlesen besonders an den tschechischen Worten gescheitert.

Handke war dennoch zufrieden?
Er blieb freundlich.

Das Stück handelt, wie der Titel verrät, von Zdenek Adamec, einem 18-jährigen Tschechen, der sich im März 2003 auf dem Wenzelsplatz in Prag in aller Öffentlichkeit selbst in Brand setzte. Womit er ähnliche Taten, vor allem die von Jan Palach im Jahr 1969 wiederholte. Um was geht es Handke?
Zunächst muss man wissen, dass Jan Palach nach dem Zusammenbruch des Ostblocks öffentliche Ehrungen erfuhr. Seine Selbstverbrennung aus Protest gegen die gewaltsame Unterdrückung des Prager Frühlings durch die sowjetische Armee galt als Aufopferung für mehr Demokratie. Zdenek Adamecs Tat erfuhr nicht die gleiche Anerkennung. Nach Einführung des Kapitalismus schien es keinen Grund mehr für einen derartigen Protest zu geben. Staatspräsident Václav Klaus meinte, dass es jetzt Meinungsfreiheit gäbe, dass man sich gegen Missstände auch verbal wehren könne, ohne sich umbringen zu müssen. Adamecs Selbstverbrennung wurde sofort in Frage gestellt.
Dabei konnte man auch nach dem Systemwechsel durchaus genug Anlass zur Verzweiflung finden.

Weil das kapitalistische System auch nicht funktionierte.
Ja, es kann einem auch ein Ohnmachtsgefühl geben. Alle diese tschechischen Selbstverbrennungen wandten sich gegen Formen des Imperialismus: Jan Palach 1969 gegen einen kommunistischen, Adamec 2003 gegen einen kapitalistischen. Wieso sollten wir uns einig sein, dass die erste Tat wertvoll war und die zweite nicht? Solche Fragen stellt Peter Handke. Er fragt nach der Relevanz der Tat, denkt aber auch über andere Auswege nach, zweigt ab in eigene Erlebnis- und Vorstellungswelten.

Fakt und Fiktion lassen sich dabei gar nicht so leicht unterscheiden.
Auf jeden Fall hat Handke auch recherchiert, war vor Ort und hat Pressematerial aus der Zeit direkt in das Stück gewoben.

Dass in dem Stück zum Beispiel von einem besonderen Ort im böhmischen Wald voller Blaubeersträucher die Rede ist, der für Adamec zum Rückzugsort wurde, könnte erfunden sein.
Ja, zum Beispiel. Vielleicht stammen solche Bilder aus Handkes Kindheit oder sie stehen für Kindheitserinnerungen, die wir alle auf gewisse Weise teilen. In der Presse wurde über einen negativen Einfluss von Adamecs Mutter auf ihren Sohn gemutmaßt. Dieses Sterotyp der schlechten Mutter, das herangezogen wird, um solche Taten zu erklären, löst Handke auf. Er stellt vielstimmig in Frage, den Selbstmord privat pathologisch zu erklären. Aber er sucht auch nicht nur nach der politischen Relevanz. Er sucht nach anderen Formen des Gesprächs und der Anteilnahme an Zdenek Adamecs Verzweiflung über die Welt.

Es gibt in dem Text keine mit Namen markierte Rollen, sondern durch Absätze voneinander getrennte, kürzere oder längere Sprech-Passagen. Gibt es jetzt irgendeine Aufteilung im Ensemble?
Ja. Friederike Heller hat mit der Dramaturgin Andrea Vilter einiges an Vorarbeit geleistet und uns in ziemlich schlüssige Figuren, beziehungsweise, Sprecherpositionen aufgeteilt. Ich vertrete zum Beispiel im Stück eine Position, die versucht, sich an die „Fakten“ zu halten und an das, was die Presse damals berichtet hat. Auf diese Informationen komme ich immer wieder zurück, wenn Andere zu sehr in Interpretationen abschweifen.

In Handkes anfänglicher Regieanweisung gibt es hinsichtlich des Personals „Einheimische, Zugereiste, Inländer, Ausländer, Junge, Ältere.“ Spielt diese Einteilung in dem Abend eine Rolle?
Ja, auch das hat Friederike Heller ernst genommen. Das Ensemble besteht hauptsächlich aus Zugereisten: Hanns Zischler, Christian Friedel und André Kaczmarcyk sind deutsch, Nahuel Pérez Biscayart ist Argentinier, Sophie Semin Französin. Nur Luisa-Céline Gaffron und ich sind quasi Inländerinnen. Unsere Namen erzählen freilich noch andere Herkünfte.

Wie waren für Sie die zwei Jahre an den Kammerspielen?
Das waren zwei sehr ausgefüllte, erfüllende Jahre. Ursprünglich ausgemacht waren je zwei Projekte am Haus pro Jahr. Ich hatte ja noch Verpflichtungen, beim „Tatort“ und in der freien Szene. Aber obwohl das so geregelt schien, hatte ich unterschätzt, was der Eintritt in ein Ensemble emotional auslöst. Dass man da vorkommen will und teilhaben und sich engagieren will in der Gruppe. Es wurden dann insgesamt sechs Stücke und ein paar Lesungen dazu. Außerdem war ich plötzlich „die ältere Generation“. Damit lernen umzugehen und offen zu bleiben für neue Themen, ohne sie gleich als schon irgendwie bekannt durchzuwinken, war eine wichtige Erfahrung für mich.

Sie kehren jetzt wieder ins „freie“ Dasein zurück.
Ja, ich bin wieder freischaffende Schauspielerin, wobei ich schon die Verbindung zu dem Haus halte. Drei Projekte werden wohl in die nächste Spielzeit übernommen: „Die Räuberinnen“ von Leonie Böhm, „Drei Schwestern“ von Susanne Kennedy“ und dann ist „Wunde R“ noch im Gespräch.

Wie ist eigentlich der Kontakt zu Salzburg entstanden?
Die Anfrage kam von Friederike Heller. Sie war vor vielen Jahren Regie-Assistentin beim Vordiploms-Stück von Nicolas Stemann. Da habe ich mitgespielt. Seither haben wir Kontakt gehalten, auch weil ich inzwischen oft mit ihrem Mann Patrick Wengenroth gearbeitet habe. Sie und ich wollten seit einiger Zeit wieder etwas gemeinsam machen. Jetzt hat es endlich geklappt.

Gab es ein Zögern, als es um ein neues Stück von Peter Handke ging?
Als ich für das Projekt angefragt wurde, war Peter Handke noch kein Nobelpreisträger. Ich habe damals eingewilligt aus der Erinnerung an meine Begeisterung für seine Romane, die ich von ihm als Jugendliche gelesen hatte. Auch als Theaterautor war er da für mich wichtig. Aus meinem Freundeskreis kamen schon Einwände, wegen seiner Aussagen im Bosnienkrieg. Dann kam die Nobelpreisverleihung und die Welle der Empörung, und ich habe versucht, mir eine Meinung zu bilden. Er wendet sich sowohl in Interviews als auch in seinen Texten gegen populäre, vermeintliche Gewissheiten. Diesen Impuls kann ich nachvollziehen, auch in Zusammenhang mit Serbien.

Die Kritik an Handke bezieht sich vor allem auf seine Relativerung des Massakers von Srebrenica.
Aber, dass in Srebrenica ein Massenmord an bosnischen Muslimen stattgefunden hat, lässt sich nicht relativieren und ich kann ihn hier nicht aus den Nesseln herausreden, in die er sich gesetzt hat oder in die er gesetzt wurde. Das könnte er vielleicht selbst. In seinem schriftstellerischen Werk habe ich aber keine Spuren von Nationalismus oder Parteigängertum entdeckt. Sein Werk und seine Person lassen sich nicht auf dieses Thema reduzieren. Aus dem Text „Zdenek Adamec“ spricht ein nach allen Seiten offener Humanismus, ein freies, wildes, eventuell linkes und auch esoterisches Denken.

Sie haben jetzt im Wechsel in München und Salzburg geprobt. Wie funktionierte das mit Corona?
Das war buchstäblich ein Hin und Her. In Deutschland wurden die Sicherheitsabstände ja noch eingehalten, auch auf der Bühne beim Proben und Spielen. In Österreich dürfen wir auf der Bühne „normal“ agieren, werden aber dafür regelmäßig auf Corona getestet und müssen in einem Corona-Tagebuch vermerken, wo wir waren und mit wem wir Kontakt hatten.

Sie hielten also die Leute in München auf Distanz, und in Salzburg konnten Sie die Leute umarmen.
Ja, es war verwirrend.

Wissen Sie schon, wie es nach Salzburg weitergeht? Werden Sie den Schwarzwald weiter retten?
Ja. Eine vor Corona gedrehte „Tatort“-Folge wird irgendwann im Herbst gesendet; und der nächste Dreh ist im September. In München haben Judith Huber und ich eine Förderung für ein Jubiläums-Projekt bekommen: Die Bairishe Geisha feiert im nächsten Jahr ihr 21-jähriges Bestehen. Wir wollen dabei drei unserer Erfolgsstücke an die nächste Generation vererben, sofern sie es denn vererbt bekommt möchte. Wir stellen jeweils das Material eines Stücks einer Gruppe zur Verfügung und sagen, nehmt das Ding und macht damit, was ihr wollt, mit oder ohne uns. Und dann entwickeln wir selbst noch ein viertes, neues Projekt, in dem es um das Altwerden in der freien Szene geht.

Altwerden ist nicht das Schönste auf der Welt, in der freien Szene wohl auch nicht.
Die freie Szene ist eher auf Nachwuchsförderung ausgerichtet. Davon hat die Bairishe Geisha auch profitiert als wir jünger waren. Aber wohin gehen die Älteren? Was machen sie, wenn sie zum Beispiel nicht mehr gefördert werden? Die Kulturpolitik schreibt Biografien. Welche beruflichen Strategien haben ältere freischaffende Künstlerinnen vor uns entwickelt? Wie weiter machen? Wann ist es Zeit abzutreten? Das wollen wir untersuchen.

Landestheater, 2., 4., 7., 9., 12., 13., 15. August, 19.30 Uhr. Restkarten unter www.salzburgfestival.at

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